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Geliebter Normanne

Geliebter Normanne

Titel: Geliebter Normanne
Autoren: Rebecca Michéle
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sein Körper von einem normannischen Schwert durchbohrt wurde. Er ist tot, ebenso seine Brüder und beinahe alle Männer des Hochadels, die an des Königs Seite kämpften.«
    »Nur wenigen gelang die Flucht«, ergänzte der zweite Bote, der sich zwischenzeitlich ebenfalls erfrischt hatte, den Bericht. »Das Heer des Normannen war dem unseren um ein Vielfaches überlegen, und jetzt zieht William mordend und brandschatzend durch das Land in Richtung London. Es ist zu befürchten, dass er gegen Abend Fendenwic erreicht.«
    Ängstlich presste Hayla beide Hände auf ihr pochendes Herz. König Harold tot, und die Normannen waren auf dem Weg hierher! Auch Lady Elfgiva erkannte den Ernst der Lage und trat zu Hayla.
    »Du musst fort, Mädchen. Auf der Stelle.«
    »Fort? Aber wohin denn? Nein, ich lass Euch nicht allein, Tante, ich …«
    »Halt den Mund«, unterbrach Lady Elfgiva ungewöhnlich harsch. »Wir haben dem König versprochen, dich in Sicherheit zu bringen, sollte ihm etwas geschehen. Es ist alles vorbereitet.« Ihr Blick ging zu den Männern. »Sir Leofric, Sir Alfred … Ihr wisst, was zu tun ist.«
    Hayla schüttelte verwundert den Kopf.
    »Aber Ihr flieht mit mir, nicht wahr, liebe Tante? Ihr lasst mich nicht allein.«
    Für einen Moment schloss Elfgiva die Augen und seufzte, dann schüttelte sie den Kopf.
    »Nein, mein Kind, wir müssen alles tun, die Aufmerksamkeit Williams von dir abzulenken.«
    »Das verstehe ich nicht«, beharrte Hayla. »Dieser Normanne kennt mich doch gar nicht, und der König hat noch mehrere Mündel …«
    »Schluss jetzt!« Sir Leofric trat zu Hayla und ergriff ihren Arm. »Du wirst tun, was wir dir sagen. Es ist alles vorbereitet, ganz so, wie der König es gewünscht hat.« Ein gequältes Lächeln verzerrte Leofrics Gesicht. »Offenbar hatte er doch mit einer Niederlage gerechnet. Rasch, Mädchen, beeil dich, wir haben keine Zeit zu verlieren.«
     
    Der Morgennebel legte sich wie ein Leichentuch über das Land, als Sir Alfred, Sir Leofric und zwei Knappen in vollem Galopp das Tor von Fendenwic passierten und die Pferde unnachgiebig in Richtung Westen antrieben. Man hatte Hayla nicht gestattet, mehr als ein zweites Gewand mitzunehmen, denn sie konnten sich nicht mit Gepäck belasten. Hayla war seit ihrer Kindheit an Pferde gewöhnt und eine gute Reiterin. Sie konnte mit den Männern mühelos mithalten, doch sie hatte keine Ahnung, wohin der Ritt gehen sollte. In ihr war alles in Aufruhr, aber die Eile des Morgens verdrängte die Trauer um König Harold, den Hayla wie einen Vater geschätzt und geachtet hatte. Instinktiv wusste sie, dass sich ihr Leben dramatisch verändern würde.

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    1. Kapitel
    Cornwall, England, November 1067
    H ayla erwachte vom Klappern ihrer Zähne, die in der Kälte aufeinanderschlugen. Der Herbst war kalt und stürmisch in den Westen des Landes gezogen, und es regnete seit zwei Wochen beinahe ohne Unterlass. Die einzige Fensteröffnung in Haylas Kammer war zwar mit einer feingeschabten Tierhaut bespannt, aber es gab in dem kleinen Turmzimmer keine Feuerstelle. Seufzend erhob sich Hayla von ihrem Lager, auf dem sie in ihren Kleidern geschlafen hatte, um es wenigstens ein wenig warm zu haben. Schnell schlüpfte sie in die Holzpantinen, wusch sich Hände und Gesicht mit dem eiskalten Wasser, das sie am Abend vorher aus dem Brunnen geholt hatte. Die Geräusche von draußen sagten ihr, dass die Menschen der Burg bereits wach waren und ihrer Arbeit nachgingen, darum beeilte sie sich, ebenfalls ihren Pflichten nachzukommen.
    Die große Halle war neben der Küche der einzige Raum der Burg, in dem es eine Feuerstelle gab. Hier herrschte bereits reger Betrieb. Rund zwei Dutzend Männer und Frauen, die in der Halle genächtigt hatten, begannen ihr Tagwerk. Hayla trat an das Feuer und hielt ihre Hände über die Flammen. Die Wärme tat gut, und langsam verblasste die bläuliche Verfärbung ihrer Haut. Eine alte Frau mit schlohweißem Haar, das in dünnen Strähnen um ihren Kopf hing, und gebeugtem Rücken trat aus dem niedrigen Durchgang zur Küche und reichte Hayla einem Becher warme Milch. Das Mädchen nahm das Getränk dankbar entgegen und trank hastig.
    »Danke, Waline, die Milch tut gut.« Hayla warf einen Blick in die Runde. »Ich weiß, du möchtest, dass ich oben in der kalten Kammer schlafe, aber in der Halle brennt Tag und Nacht ein wärmendes Feuer. Lass mich doch bitte bei den anderen unten schlafen. Hier ist es viel wärmer, und der Winter kommt erst
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