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Geliebter Fremder

Geliebter Fremder

Titel: Geliebter Fremder
Autoren: Sylvia Day
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es keine Worte, um ihn zu beschreiben. Sie zwang sich, langsamer zu atmen, und unterdrückte einen plötzlichen Anflug von Panik. Mit dem Jungen hatte sie umzugehen gewusst, aber dieser … dieser Mann war nicht zu zähmen. Hätte sie ihn gerade erst kennengelernt, hätte sie sich von ihm ferngehalten.
    »Hallo, Isabel.«
    Selbst seine Stimme hatte sich verändert, war nun tiefer und leicht heiser.
    Isabel wusste nicht, was sie sagen sollte.
    »Du hast dich überhaupt nicht verändert«, murmelte er und ging mit großen Schritten auf sie zu. Sein früheres freches Auftreten war dem Selbstbewusstsein derer gewichen, die durch die Hölle gegangen sind und überlebt haben.
    Als sie tief Luft holte, überwältigte sie sein vertrauter Geruch. Vielleicht war er ein bisschen würziger, doch immer noch unverkennbar Gray. Sie starrte hinauf in sein undurchdringliches Gesicht und zuckte hilflos die Achseln.
    »Ich hätte schreiben sollen«, sagte er.
    »Ja, das hättest du«, bestätigte sie. »Nicht nur, um deinen Besuch anzukündigen, sondern schon vorher, allein, um mir mitzuteilen, dass es dir gut geht. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Gray.«
    Er wies mit der Hand zu einem Sessel, auf den sie sich dankbar sinken ließ. Als er sich auf das Sofa ihr gegenüber setzte, fiel ihr seine schlichte Kleidung auf. Zwar trug er Hose, Jacke und Weste, doch sie waren einfach geschnitten und aus grobem Stoff. Wo auch immer er die letzten Jahre verbracht hatte, modische Kleidung war wohl dort nicht gefordert.
    »Dass du dir Sorgen gemacht hast, tut mir leid.« Einer seiner Mundwinkel hob sich und zeigte eine Andeutung seines früheren Lächelns. »Aber ich konnte dir nicht schreiben, dass es mir gut geht, weil nichts weniger gestimmt hätte. Ich ertrug den Anblick von Briefen nicht, Pel. Nicht, weil sie von dir kamen. Jahrelang mied ich jegliche Korrespondenz. Aber jetzt …« Er verstummte, und sein Kiefer spannte sich entschieden. »Ich bin nicht auf Besuch.«
    »Ach.« Ihr wurde etwas flau im Magen. Von ihrer einstigen Kameradschaft war nichts mehr geblieben. Früher hatte sie ihr unbeschwertes Miteinander genossen, doch nun verspürte sie in seiner Gegenwart eindeutig Nervosität.
    »Ich will hier leben. Wenn ich mich wieder erinnere, wie das geht.«
    »Gray.«
    Er schüttelte den Kopf, sodass seine etwas zu langen Locken um seinen Nacken flogen. »Kein Mitleid, Isabel. Das verdiene ich nicht. Und vor allem will ich es nicht.«
    »Was willst du denn?«
    Er schaute sie direkt an. »Vieles, aber vor allem Gesellschaft. Und ich will ihrer wert sein.«
    »Wert?« Sie runzelte die Stirn.
    »Ich war ein schrecklicher Freund, wie die meisten selbstsüchtigen Menschen.«
    Isabel starrte auf ihre Hände, und ihr Blick fiel auf den goldenen Ehering – das Symbol ihrer lebenslangen Verbindung mit einem Fremden. »Wo warst du, Gray? Was hast du gemacht?«
    »Bilanz gezogen.«
    Also würde er es ihr nicht sagen. »Nun gut. Was willst du von mir?« Sie hob ihr Kinn. »Welchen Dienst kann ich dir erweisen?«
    »Als Erstes muss ich wieder vorzeigbar werden.« Gray wies nachlässig auf seine Gestalt. »Dann muss ich den neuesten Klatsch hören. Ich habe zwar Zeitung gelesen, aber wir beide wissen, dass dort selten die Wahrheit steht. Doch vor allem brauche ich deine Begleitung.«
    »Ich bin nicht sicher, wie viel Hilfe ich dir bieten kann, Gray«, sagte sie ernst.
    »Das weiß ich.« Er stand auf und trat zu ihr. »Während meiner Abwesenheit haben die Klatschmäuler dir übel mitgespielt. Deshalb bin ich zurückgekehrt. Wie verantwortungsvoll bin ich denn tatsächlich, wenn ich mich nicht mal um meine eigene Frau kümmern kann?« Er sank neben ihr auf die Knie. »Ich verlange viel von dir, Pel, das weiß ich. Das hattest du nicht erwartet, als wir unser Abkommen schlossen. Aber die Dinge haben sich geändert.«
    »Du hast dich verändert.«
    »Gott, ich kann nur hoffen, dass das wahr ist.«
    Als Gray ihre Hände nahm, spürte sie seine Schwielen. Sie senkte den Blick und sah, dass seine Hände dunkel von der Sonne und rot von der Arbeit waren. Sie standen im scharfen Kontrast zu ihren schmalen weißen Händen.
    Er drückte sie leicht. Isabel hob den Blick und war erneut betroffen über seine markanten Züge.
    »Ich möchte dich zu nichts zwingen, Pel. Wenn du dein Leben wie bisher weiterführen willst, werde ich das respektieren.« Wieder sah man den Anflug seines früheren Lächelns. »Aber ich warne dich: Wenn es sein muss, werde ich auch
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