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Geliebter Fremder

Geliebter Fremder

Titel: Geliebter Fremder
Autoren: Sylvia Day
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betteln. Ich schulde dir viel und bin zu allem entschlossen.«
    Sie erhaschte einen kurzen Blick auf den früheren Gray, und das beruhigte sie. Mochten sein Äußeres und vielleicht noch mehr sein Inneres sich verändert haben, gab es doch irgendwo immer noch den charmanten Tunichtgut. Für den Augenblick reichte ihr das.
    Als Isabel sein Lächeln erwiderte, war seine Erleichterung deutlich spürbar. »Ich sage meine Verpflichtungen für diesen Abend ab, und dann schmieden wir Pläne.«
    Grayson schüttelte den Kopf. »Ich muss erst meine Sachen holen und mich wieder eingewöhnen. Du kannst heute Abend ausgehen. Ich werde dir schon bald genug zur Last fallen.«
    »Vielleicht möchtest du in etwa einer Stunde mit mir Tee trinken?« Möglicherweise konnte sie ihn bei dieser Gelegenheit dazu bringen, mehr über die Zeit seiner Abwesenheit zu erzählen.
    »Sehr gerne.«
    Als sie sich erhob, stand er ebenfalls auf.
    Wie groß er war! War er schon immer so hochgewachsen gewesen? Sie konnte sich nicht erinnern. Sie verdrängte ihre Verblüffung und wollte sich zur Tür wenden, doch er hielt sie nach wie vor an der Hand.
    Mit verlegenem Achselzucken ließ Gray sie los und sagte: »Wir sehen uns in einer Stunde, Pel.«
    Gerard wartete, bis Isabel den Raum verlassen hatte, und ließ sich dann stöhnend wieder aufs Sofa sinken. Während seiner Abwesenheit hatte er immer wieder unter Schlaflosigkeit gelitten. Um sich körperlich zu erschöpfen, hatte er auf den Feldern seiner Besitztümer gearbeitet und sich dabei an schmerzende Muskeln und Knochen gewöhnt. Doch noch nie hatte sein Körper so geschmerzt wie gerade eben. Erst jetzt, als er allein war und der verführerische Duft nach üppigen exotischen Blumen seiner Frau sich verflüchtigt hatte, merkte er, wie angespannt er war.
    War Isabel schon immer so schön gewesen? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Zwar hatte er sie in Gedanken immer mit dem Wort »schön« beschrieben, aber die Wirklichkeit übertraf diesen Begriff bei Weitem. Ihre Haare hatten noch mehr die Farbe von Feuer, ihre Augen mehr Glanz, und ihre Haut leuchtete mehr als in seiner Erinnerung.
    Im Laufe der letzten Jahre hatte er unzählige Male »meine Frau« gesagt, während er ihre Rechnungen beglich und ihre Angelegenheiten regelte. Doch bis heute hatte er diese Bezeichnung nie wirklich mit dem Gesicht und dem Körper von Isabel Grayson in Verbindung gebracht.
    Gerard fuhr sich mit der Hand durchs Haar und fragte sich, was ihn dazu getrieben hatte, diesen wahnsinnigen Handel mit ihr einzugehen. Als Pel den Raum betrat, hatte er plötzlich keine Luft mehr bekommen. Wieso war ihm das früher nie aufgefallen? Er hatte nicht gelogen, als er sagte, sie habe sich nicht verändert. Aber zum ersten Mal sah er sie wirklich. Andererseits hatte er im Laufe der letzten zwei Jahre vieles gesehen, für das er vorher blind gewesen war.
    Wie für dieses Zimmer.
    Er sah sich um und verzog das Gesicht. Dunkelgrüne Vorhänge und dunkelbraune Holzvertäfelung. Was hatte er sich nur dabei gedacht? An so einem düsteren Ort konnte ein Mann nicht vernünftig seinen Besitz verwalten. Und Lesen schon gar nicht.
    Wer hat schon Zeit zum Lesen, wenn es etwas zu trinken und zu freien gibt?
    Seine eigenen Worte, die er in seiner Jugend gesprochen hatte, schienen ihn nun zu verspotten.
    Gerard stand auf, ging zu einem der Regale und zog wahllos Bücher heraus. Jedes, das er aufschlug, knackte protestierend, als seine Seiten auseinandergebogen wurden. Keines von ihnen war je gelesen worden.
    Welcher Mensch umgab sich mit Schönheit und Lebendigkeit und nahm sich nicht mal eine Sekunde, um sie zu genießen?
    Voller Selbstverachtung setzte er sich an seinen Schreibtisch und schrieb eine Liste mit Dingen, die er ändern wollte. Schon bald umfasste sie mehrere Seiten.
    »Mylord?«
    Als er den Kopf hob, sah er den Lakai an der Tür. »Ja?«
    »Die Marchioness hat nach Ihnen gefragt. Sie möchte wissen, ob Sie mit ihr einen Tee trinken.«
    Überrascht blickte Gerard zur Uhr, schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Sicher. Wo wird er serviert? Im Speisezimmer oder im Salon?«
    »Im Boudoir der Marchioness, Mylord.«
    Jeder Muskel in ihm spannte sich an. Wie hatte er auch das vergessen können? Er hatte es so genossen, in dieser Bastion aller Weiblichkeit zu sitzen und zuzusehen, wie Isabel sich ausgehbereit machte. Als er jetzt die Treppe hinaufging, dachte er an ihre gemeinsame Zeit und gestand sich ein, dass sie fast nur mit belanglosem
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