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Geliebter Fremder

Geliebter Fremder

Titel: Geliebter Fremder
Autoren: Sylvia Day
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sich Sorge mischte. »Was zum Teufel steht da? Gib mir den Brief!«
    Er ließ die Hand sinken, und die Blätter flatterten auf den Aubusson-Teppich.
    Er hätte bei Em sein sollen. Als Sinclair seine Briefe ungeöffnet zurückschickte, hätte er mehr tun sollen, als nur Grüße durch Freunde übermitteln zu lassen. Er hatte sie schon sein ganzes Leben gekannt. Sie war die Erste, die er geküsst, die Erste, der er Blumen geschenkt, über die er Gedichte geschrieben hatte. Er konnte sich an keinen Moment seines Lebens erinnern, da nicht im Hintergrund immer ein Engel mit goldblonden Haaren auf ihn gewartet hatte.
    Und jetzt war sie fort, für immer, getötet durch seine Selbstsucht und Wollust. Seine süße, geliebte Emily, die so viel Besseres verdiente, als er ihr gegeben hatte.
    Er hörte ein leises Summen in seinen Ohren und dachte, es sei Isabel, die eine seiner Hände fest mit ihren umschloss. Er wandte sich zu ihr, schmiegte seine Wange an ihre Brust und weinte. Er weinte, bis ihr Mieder tränennass war und ihre Hände, die ihm besorgt über den Rücken strichen, zitterten. Er weinte, bis ihm keine Tränen mehr blieben, und die ganze Zeit hasste er sich.
    Sie gingen nicht zu den Middletons. Noch am gleichen Abend packte Gerard seine Koffer und brach nach Norden auf.
    Und er kam nicht zurück.

Kapitel 1
    Vier Jahre später
    »Seine Lordschaft ist da, Mylady.«
    Für viele Frauen mochte diese Ankündigung alltäglich sein, doch nicht für Isabel, Lady Grayson, denn sie konnte sich nicht erinnern, wann ihr Butler dies zum letzten Mal geäußert hatte.
    Sie verharrte im Foyer, zog sich die Handschuhe aus und reichte sie dem wartenden Lakaien. Dabei nahm sie sich Zeit, um sich zu sammeln und sich zu vergewissern, dass man ihr ihre Anspannung nicht ansah.
    Grayson war zurück.
    Unwillkürlich fragte sich Isabel, was wohl der Grund dafür sein mochte. Er hatte keinen ihrer Briefe, die sie an seinen Verwalter gesandt hatte, gelesen und ihr nie einen geschrieben. Da sie den Brief seiner Mutter kannte, wusste sie, was ihm das Herz gebrochen hatte, bevor er London und sie verließ. Angesichts seiner anfänglichen Begeisterung und seines Stolzes darüber, Vater zu werden, konnte sie sich seinen Schmerz vorstellen. Als seine Freundin wünschte sie, Gray hätte ihr erlaubt, ihm mehr als nur eine Stunde Trost zu spenden. Aber er hatte sie verlassen, und Jahre waren ins Land gezogen.
    Sie glättete ihre Musselinröcke und betastete ihre Frisur. Als sie sich dabei ertappte, wie sie ihr Erscheinungsbild prüfte, hielt sie inne und fluchte leise. Es war Gray. Ihm war ganz gleich, wie sie aussah. »Ist er im Arbeitszimmer?«
    »Ja, Mylady.«
    Genau wie an jenem Tag.
    Sie nickte, straffte die Schultern und wappnete sich. Dann ging sie so gefasst wie möglich an der gewundenen Treppe vorbei und wandte sich zur ersten offenen Tür auf der rechten Seite. Doch trotz ihrer inneren und äußeren Vorbereitung traf sie der Anblick ihres Mannes wie ein Schlag. Er stand mit dem Rücken zu ihr vor dem Fenster und wirkte noch größer und deutlich kräftiger. Sein breiter Torso verjüngte sich zu einer schmalen Taille, einem herrlich geformten Hintern und langen, muskulösen Beinen. Seine dunkle, von dunkelgrünen Vorhängen eingerahmte Silhouette, die perfekte Symmetrie seiner Gestalt raubte ihr den Atem.
    Aber ihn umgab eine düstere Aura, die nicht im Geringsten zu dem sorglosen Mann passte, den Isabel in Erinnerung hatte. Diese Aura ließ sie ein weiteres Mal tief Luft holen, ehe sie zu sprechen ansetzte.
    Doch bevor sie ein Wort herausbringen konnte, drehte Gray sich um, als hätte er ihre Anwesenheit gespürt. Ihre Kehle war plötzlich wie zugeschnürt.
    Das war nicht der Mann, den sie geheiratet hatte.
    Wie gebannt in der unheilschwangeren Stille starrten sie einander an. Nur wenige Jahre waren vergangen, aber jetzt schienen sie wie eine Ewigkeit. Grayson hatte so gar nichts Jungenhaftes mehr an sich. Die Zeit hatte tiefe Falten in sein Gesicht gegraben, die seinen Mund und seine Augen säumten. Es waren keine Lachfältchen, das sah Isabel, sondern Sorgenfalten. Seine strahlenden Augen, in die sich so viele Frauen verliebt hatten, zeigten nun ein dunkleres, Unheil verkündendes Blau. Sie lächelten auch nicht mehr und schienen weit mehr gesehen zu haben, als in vier Jahren möglich war.
    Isabel hob die Hand an die Brust, bestürzt, dass sie sich so rasch hob und senkte.
    Früher war Gray ein schöner junger Mann gewesen. Doch jetzt gab
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