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Geliebter Feind

Geliebter Feind

Titel: Geliebter Feind
Autoren: LYNNE GRAHAM
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den Laufpass gegeben hatte, so hatte sie ihr Ziel eindeutig verfehlt. Emotionelle Erpressung war ebenso wenig nach seinem Geschmack wie weibliche Ansprüche und Forderungen. Er war ein ungebundener Mann, der sich seine Gesellschaft und auch seine Betten frei aussuchte, wann und wie es ihm beliebte.
    Manchmal fragte er sich, warum er immer an solche Frauen gelangte, die sich anfangs kühl und beherrscht gaben, sich dann aber rapide zu wandelnden Zeitbomben entwickelten, die jederzeit losgehen konnten. Er machte niemandem etwas vor, er sagte immer offen und direkt, was er wollte. Sex war ebenso notwendig wie Nahrung. Sex hatte auch absolut nichts mit dem magischen Wörtchen zu tun, das mit L anfing. Frauen nutzten dieses Wort als Rechtfertigung, um die Grundregeln zu ändern.
    Aber „Liebe“ gehörte nun mal nicht zu seinem Vokabular.

1. KAPITEL
    „Du siehst fantastisch aus.“ Sally, die Kosmetikerin, war begeistert, während sie Abbeys feuerrote Locken über deren schmale Schultern breitete. „Du wirst der Star des Abends sein.“
    Abbey zweifelte ernsthaft an dieser Voraussage. Nur eine Frau, die sich mit ihrem Gesicht und ihrer Figur wohlfühlte, würde tatsächlich an einer Modenschau teilnehmen wollen. Sie war nur hier als Ersatz in letzter Sekunde, weil eines der Amateur-Modelle bei der Generalprobe gestürzt war. Abbey hatte ihr Aussehen noch nie gemocht. Als Kind war der Spiegel immer ihr Feind gewesen, zerstörte er doch all ihre Hoffnungen, als verschollene Märchenprinzessin durchzugehen.
    Eine ihrer Kindheitserinnerungen war die stete Klage ihres Vaters, was für ein hässliches Entlein sie doch sei. Die Verwandlung in den stolzen Schwan hatte unglücklicherweise nie stattgefunden. Ihr Haar war weiterhin stur feuerrot geblieben, die Anzahl der Sommersprossen hatte sogar noch zugenommen, und die endlos langen Beine garantierten, dass sie fast jeden um Haupteslänge überragte. Unmodern große Brüste und runde Hüften trugen weiterhin zu ihrem Unbehagen mit dem eigenen Körper bei. Nur ein einziges Mal hatte Abbey sich mit Aufmerksamkeit gesegnet gefühlt. Das war an dem glorreichen Tag gewesen, als Jeffrey Carmichael sie eingeladen hatte. Die Monate bis zum Hochzeitstag waren angefüllt gewesen mit funkelnden Sternen und strahlender Glückseligkeit. Doch selbst Jeffrey hatte irgendwann eine Bemerkung gemacht, dass sie als Blondine vielleicht besser aussehen würde.
    „Caroline ist einfach unglaublich“, meinte Sally, als eine Frau im Rollstuhl eilig an ihnen vorbeirauschte. „Man muss sie wirklich bewundern. So viel verloren zu haben, und dennoch immer dabei, anderen zu helfen.“
    „Das ist Caroline.“ Auch Abbey hatte nichts als Bewunderung für die Frau ihres Bruders. Caroline mochte vor sechs Jahren die Nutzung ihrer Beine verloren haben, aber sie stand dennoch mitten im Leben, versorgte Mann und zwei Kinder, arbeitete in einem Vollzeit-Job und fand auch noch Raum, um Spenden für „Futures“ zu sammeln, eine Organisation, die sich um Menschen mit Wirbelsäulenverletzungen kümmerte und die ihr in der Stunde der Not beigestanden hatte. Diese Modenschau, von Abbey mitorganisiert, wurde ebenfalls zugunsten von Futures ausgetragen.
    „Hatte sie nicht am Hochzeitstag ihres Bruders einen Autounfall? Ich meine, so etwas in der Zeitung gelesen zu haben.“
    „Richtig“, bestätigte Abbey. Ihre Sommersprossen traten deutlicher unter der plötzlichen Blässe hervor. „Ein Betrunkener am Steuer. Die Zeitungen waren damals voll davon.“ Sie wollte nicht an jenen düsteren, verregneten Oktobertag zurückdenken. In dem einen Moment hatte sie noch alles, wofür es sich zu leben lohnte, im nächsten nichts mehr. Doch sie wusste auch, wie dankbar sie sein musste, dass sie ohne den kleinsten Kratzer aus dem Autowrack herausgekrochen war.
    „Tolles Make-up, Sally.“ Caroline blieb mit dem Stuhl neben ihnen stehen. „Du hast wahre Wunder an Abbey vollbracht.“
    „Das war auch nicht schwierig, bei dem Potenzial.“
    „Du siehst großartig aus“, zollte Caroline ihrer Schwägerin das Kompliment.
    Abbey dachte eher, dass sie unsäglich aussah. Ihre violetten Augen gingen unter in Lagen von verschiedenen Schattierungen pflaumenblauen Lidschattens und Rouge und Puder. Aber so viel Schminke war wohl nötig, um die Illusion von Glamour erstehen zu lassen. „Ist Drew schon hier?“
    Ein Schatten huschte über Carolines Gesicht. „Nein. Als ich ihn anrief, war er immer noch in der Firma.“ Abbey konnte
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