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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss
Autoren: Jo Hanns Roesler
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eine armselige Karte, wo ich mir selbst keine teuren Reisen leisten kann. Was haben Sie denn mit Ihrem Haar gemacht? Gefärbt?«
    Vielleicht ist es besser, sie geht überhaupt nicht in ihre Wohnung, viel bleibt ja nicht in ihrem Zimmer zurück, ein paar Kleider, etwas Wäsche, sie hat Geld, sie kann sich neu einkleiden, ein neues Leben anfangen — den Zug nach Wien nehmen oder nach Graz. Graz ist noch besser oder Klagenfurt, um einen Posten anzunehmen, oder sonst irgendwo in einer kleinen Stadt in Österreich.

    »Amstetten? Wo liegt das? In Österreich?« fragt Peters Schwester Helene in London ihren Mann. Ihr Bruder ist in Amstetten verunglückt. Mutter hat es ihr depeschiert. Aber eine Stunde darauf ist eine zweite Depesche gekommen.
    »Peter transportfähig. Dein Kommen im Augenblick nicht dringend. Ich hole Peter ab. Gruß Mutter.«
    Also fährt Helene nicht nach Amstetten.
    Ihre Mutter ist ja bei ihm.

    »Willst du es nicht endlich aufgeben, Peter?«
    »Was aufgeben, Mama?«
    »Deine irrsinnigen Testfahrten! Und vor allem dein von dir so geliebtes Nichtstun!«
    Peter schaut aus seinem Verband, der nur seine Augen und den Mund freigibt, hervor. Er kann schon wieder lachen.
    »Was erwartest du von mir?« fragt er amüsiert. »Soll ich etwa in Vaters Bank eintreten?«
    »Sein Schreibtisch ist seit seinem Tode verwaist.«
    »Wirklich? Sitzt du nicht dahinter?«
    »Aber doch nur so lange, bis du Vernunft angenommen hast! Ich habe noch viel zuviel im Leben vor. Ich muß dir eine Frau suchen, ich möchte Großmutter werden.«
    »Eine Frau kann ich mir auch selbst suchen«, sagt Peter und lacht.
    »Ich kenne deinen Geschmack!« sagt die Mutter entsetzt, aber sie lächelt dabei. »Etwa das junge Mädchen aus dem Hotel in Venedig? Wie bist du sie wieder losgeworden, Peter? Oder bist du sie noch nicht losgeworden?“
    »Wir haben uns wegen des Geldes zerstritten.«
    »Na also! Da hast du es wieder! Du bist ein reicher Mann, und wenn die jungen Mädchen bestimmter Schichten dahinterkommen — wieviel verlangte sie denn?«
    »Sechzigtausend Mark!«
    »Du hast sie ihr natürlich nicht gegeben?«
    »Nein. Sie nahm sie sich, während ich schlief.«
    »Dieses infame Frauenzimmer!«
    »Ich weiß nicht, Mama — sie war zauberhaft, ich möchte sagen: unvergeßlich — wenn ich wüßte, wo ich sie fände...«
    »Gott sei Dank weißt du es nicht! Du wärst imstande...«
    »Ich wäre wirklich imstande und heiratete sie vom Fleck weg! Aber du denkst natürlich an unsere Bank. Wäre es dir lieber, wenn ich ein junges Mädchen aus der Bank nehme?«
    »Wesentlich lieber!«
    »Also gut, Mama — ich verspreche es dir. Wenn ich eines Tages einmal heiraten sollte, dann nur ein junges Mädchen aus der Bank.«
    »Der Präsident unseres Aufsichtsrates hat zwei reizende Töchter.«
    »Diese oder jene — ich werde mich umschauen, Mama. Glaubst du, daß mich überhaupt noch eine nimmt, so wie ich jetzt ausschaue?«
    »Du hättest leicht schlimmer aussehen können.«
    »Aber zum Heiraten? Da will man doch mehr sehen als nur die Augen und den Mund.«
    »Du kannst ja deine Fotografie danebenhalten.«
    »Das ist eine Idee!« Jetzt weiß er, was er zu tun hat.

    Am Morgen des 6. Juli ist Birke zur Bank gegangen. In der Nacht ist nichts geschehen. Die Polizei hat nicht nach ihr gefragt, niemand hat sich nach ihr erkundigt. Die Wirtin war ein wenig verschnupft, weil Birke ihr keine Ansichtskarte von unterwegs geschrieben hatte.
    »Wo unsereiner sich nie eine Reise leisten kann!« hatte sie hinzugefügt.
    Am Montag morgen regnet es in Strömen.
    Der Personalportier am Hintereingang, Otto Hans, begrüßt sie, als wäre nichts geschehen. Sie geht an ihm vorbei, die breite Treppe hinauf, hängt ihren nassen Mantel in den Schrank der Personalgarderobe, dann blickt sie kurz in den Spiegel. Ihr Gesicht ist blaß. Die nächsten Minuten entscheiden alles. Sie tritt in die Schalterhalle.
    Hier hat sich nichts verändert.
    Die Kollegen begrüßen sie.
    »Wie war der Urlaub?«
    »Danke«, sagt Birke.
    »Wo waren Sie?«
    »Überall und nirgends.«
    Keiner zeigt, daß etwas in ihrer Abwesenheit geschehen ist. Manche sehen überhaupt nicht auf, als sie eintritt. Sie findet ihren Arbeitsplatz aufgeräumt.
    Ein paar Blumen stehen darauf.
    »Von dir?« fragt Birke ihre Kollegin.
    »Nein. Anordnung der neuen Direktion.«
    »Wir haben eine neue Direktion?«
    »Einen neuen Präsidenten.«
    »Der schickt Blumen?«
    »Jedem, der neu eintritt oder vom Urlaub
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