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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss
Autoren: Jo Hanns Roesler
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Fische schlecht. Man muß warten können, bis der Mond voll wird und der Wind besser steht. Dann beißt mancher Fisch am silbernen Blinker, man muß nur gut anködern: Blumen, Geschenke, Kleider, Pelze, Reisen.
    »Hätten Sie nicht doch Lust, einmal mit mir essen zu gehen?« fragt Graßmann, ehe er sich zum Weggehen anschickt.
    »Nein«, sagt Birke. »Man würde meinem Gesicht ansehen, ob ich Schinkennudeln im Magen habe oder einen Rehrücken mit Preiselbeeren.«
    »Das sieht man einem Gesicht an?«
    »Sie nicht. Aber meine Kollegen.«

2

    Wie man so zu stehen gewohnt ist, an der Ausfahrtstraße zur Autobahn, so stand er. In Blue jeans, mit einen} blauen Hemd, die oberen beiden Knöpfe offen, ja sogar ohne die geringsten Habseligkeiten, nur einen Kamm in der Tasche — und bärtig natürlich, von den Ohren herunter und spitz um das Kinn, die Oberlippe frei — nicht jung mehr, zweiunddreißig, groß, hager, in diesen Jahren stellt man sich eigentlich nicht mehr an die Autobahn und hebt die Hand.
    Noch dazu am Beginn der Urlaubszeit, wo die Straßen überfüllt sind und kein Autofahrer gern anhält, in der Sorge, von hinten gerammt zu werden. Schließlich entdeckt man den Anhalter ja erst in der letzten Minute, vor allem die Augen und den Mund und die Zähne, wenn er lacht. Keine Autofahrerin würde anhalten, ehe sie nicht seine Augen und den Mund gesehen hat. Wer hält schon aus Nächstenliebe und nimmt einen Mann vom Straßenrand aus Mitleid mit?
    Es muß »dafürstehen«, der zweite Platz im Wagen, wenn man allein fährt, in den Urlaub, in die Ferientage, auch wenn dann nichts daraus wird, was soll auch daraus werden? Es ist noch nie etwas daraus geworden, ein flüchtiges Abenteuer vielleicht, aber meistens endet es schon bei der ersten Abzweigung, wo man die Autobahn verläßt, absichtlich, weil einem der Beifahrer wenig amüsant erscheint, er dumm daherredet, vertraulich wird, als Dank fürs Mitgenommenwerden.
    Valerie Mertens, im weißen Sportcoupe, zwei Plätze, den Notsitz hinten mit Koffern angehäuft, Raketts, Badesachen, Mänteln, eine dunkle Sonnenbrille auf der Nase, im Kontrast zu ihrem hellblonden Haar, getönt natürlich, denn wenn man schon über die Dreißig ist, nicht viel, zwei Jahre, läßt man vom Figaro gern ein wenig nachhelfen — auch ihre Klienten sehen eine gepflegte Frau lieber als eine, die so daherkommt, wie sie Gott hat wachsen lassen, und die im Laden mit den Kunden um ihre Antiquitäten feilscht, verbissen, hartnäckig, auf den Preis bedacht.
    Valerie Mertens hat den schönsten Antiquitätenladen in der Stadt, nicht sehr groß, aber er gehört ihr allein, vom Vater geerbt, mit Besessenheit und Verstand weitergeführt, die echten Dinge von den unechten zu unterscheiden, Porzellan aus dem 18. Jahrhundert, kostbare Gläser aus Böhmen, Teppiche, um 1850 geknüpft, ein blauer Gobelin aus Aubusson , dazwischen ein paar Möbel, eine Barockkommode, ein Tabernakelkasten, ein Refektoriumstisch und dann das Stück, auf das sie am meisten stolz ist: ein Schreibtisch von Röntgen, aus fünferlei farbigem Holz, dessen Pendant im Louvre steht...
    Aber was geht uns das im Augenblick an, wo Valerie auf die Autobahn einbiegt, in ihrem weißen Sportcoupe mit den zwei Sitzen, von denen sie den Platz am Steuer einnimmt und auf dem roten Leder neben ihr eine blaue Hose sich abhebt, ein blaues Hemd, dessen zwei oberste Knöpfe offenstehen, ein Bärtiger mit Zähnen, wie von Gott gemeißelt, der Mann, der die Hand gehoben hatte und dem sie im langsamen Vorbeifahren die Tür geöffnet hat, daß er zu ihr hineinsprang. Noch hatten sie kein Wort gewechselt, nicht einmal »Danke!« hat der Unverschämte gesagt, nur gelacht, und sitzt jetzt neben ihr mit einer königlichen Selbstverständlichkeit, während sie die linke Seite der Autobahn nicht verläßt, 160 zeigt der Tachometer, 170 — sie blickt den Fremden neben sich aus den Augenwinkeln an, er lacht noch immer, sicher weiß er, daß er schöne Zähne hat, ein eitler Fant also, sicher dumm, strohdumm, wie die Rotblonden manchmal.
    Als sie in seine Augen sieht, spürt sie sofort, daß sie sich geirrt hat. Ein Kluger also. Aber wie klug? Nun, das wird sich feststellen lassen.
    »Haben Sie lange gewartet?« fragt sie.
    »Gewartet? Worauf?«
    »Daß man Sie mitnimmt.«
    »Eine Stunde.«
    »Keiner hat gehalten?«
    »Ich habe kein Zeichen gegeben.«
    »Sie haben Ihre Hand aufgehoben.«
    »Bei Ihnen — ja.«
    »Und vorher?«
    »Ich habe keinen Wagen gesehen, der
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