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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss
Autoren: Jo Hanns Roesler
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besten Tischen, ihren Jagdkanzeln, und reden gescheit daher. So laut, daß wir es hören. Erzählen von ihren Reisen, ihren Wagen, ihren Privatflugzeugen. Teufel, was sind das für feine Leute! Kaum traut man sich in ihrer Nähe den Kuchen mit dem Löffel zu essen, sie essen ihn jedenfalls mit der Gabel, während die Linke die Zigarette hält. Sie versuchen, mit ihren guten Manieren Eindruck zu schinden. Springen herbei, wenn am Nebentisch ein Handtuch herunterfällt. Bleiben hinter dem Stuhl stehen und rücken ihn zurecht, wenn sie eine Dame zum Tanz geholt haben und zum Tisch zurückbringen. Das sind zwei Dinge, die sie können.
    Birke ist schon lange nicht mehr zu einem Tanztee gegangen. Dafür Geld auszugeben tut ihr leid. Alle Männer schmecken dort wie Brause. Früher einmal, als ihr Bruder noch in der Stadt studierte, war sie öfters mit ihm tanzen gegangen. Jetzt ist er fertig mit seinem Studium, das sie aus ihrer väterlichen Erbschaft mitfinanziert hat, bescheiden mitfinanziert hat, denn die Erbschaft war winzig: ein paar Sparkassenbücher und ein kleines Haus auf dem Lande, das keiner kaufen wollte, in Birkenhain. Auch jetzt noch, wo ihr Bruder mit dem Studium fertig ist und als Volontär bei einem Architekten arbeitet, schickt sie von ihrem Gehalt gelegentlich fünfzig Mark, zu Weihnachten hundert.
    Als Birke von ihrem Mittagessen in die Bank zurückkommt, wartet der Prokurist schon an ihrem Platz. Er hält einen blauen Zettel in der Hand und legt ihn auf ihren Tisch.
    »Vordringlich!« sagt er. »Überweisen Sie bitte Herrn Peter Zanders von seinem Privatkonto 60 000 Mark.«
    »Zweck der Überweisung?« fragt Birke gewohnheitsmäßig.
    »Privatentnahme.«
    »Anschrift?«
    »Regina-Palast-Hotel. Die Überweisung muß noch heute erfolgen.«
    »Danke. Wird erledigt.«
    Während sie ihre elektrische Buchungsmaschine abdeckt und sich gerade niedersetzt, geht hinter ihr Direktor Graßmann vorüber. Er ist der zweite Direktor der Bank. Sie hört, wie er hinter ihrem Stuhl stehenbleibt.
    »Haben Sie heute mittag gut gegessen, Fräulein Schulz?«
    »Danke«, sagt Birke, ohne aufzusehen.
    »Was gab es?«
    »Schinkennudeln.«
    »In der Kantine?“
    »Nein.«
    »Essen Sie außerhalb?«
    »Ja.«
    »Jeden Tag?«
    »Meist.«
    Sie mag Herrn Graßmann nicht, Herrn Direktor Graßmann. Sie kann ihn, ehrlich gestanden, nicht ausstehen. Eigentlich fehlt ihr dazu jeder Grund. Er ist immer besonders höflich zu ihr, vielleicht ein wenig zu höflich. Auch jetzt wieder. Er kommt um ihren Tisch herum und sagt:
    »Ich war in den >Vier Jahreszeiten<. Bei mir gab’s Rehrücken. Rehrücken mit Preiselbeeren. Mögen Sie Rehrücken?«
    »Nicht besonders«, sagt Birke.
    Dabei ißt sie Rücken leidenschaftlich gern. Aber was soll dieses alberne Gespräch?
    »Da Sie sowieso auswärts essen, mir würde es ein großes Vergnügen bereiten — wann haben Sie Geburtstag?«
    »Wollen Sie mir Blumen schicken, Herr Direktor?« fragt Birke aggressiv.
    »Das nicht. Aber wenn Sie wollen, warum nicht?«
    »Hierher? In die Bank?«
    »Sie brauchen ja keinem zu erzählen, von wem die Blumen sind.«
    »Wenn Sie jetzt so lange bei mir stehen und ich habe morgen Geburtstag, wissen es alle Kollegen.«
    »Haben Sie morgen Geburtstag?«
    »Nein«, sagt Birke verärgert.
    Direktor Graßmann spielt den Erlösten.
    »Gott sei Dank! Ich hätte nämlich noch kein Geschenk für Sie!«
    Birke geht darauf nicht ein. Warum schert er sich nicht endlich zum Teufel! Ihr ist die Sache äußerst peinlich. In ihrer Nervosität faltet sie die Hülle der Buchungsmaschine noch einmal zusammen und schiebt sie in das obere Fach ihres Tisches.
    »Haben Sie zufällig Feuer, Fräulein Schulz?«
    »Bedaure. Ich rauche nicht.«
    »Könnten Sie es sich nicht angewöhnen? Unter besonderen Umständen?«
    »Unter welchen Umständen?« fragt Birke verwundert.
    »Wenn Ihre Zigaretten in einer goldenen Dose liegen würden.«
    Birke ist völlig ahnungslos, als sie fragt:
    »Warum sollen sie in einer goldenen Dose liegen?«
    »Weil es vielleicht Leute gibt, einzelne, einen im besonderen, dem es viel Vergnügen machen würde, Ihre Hand zu beobachten, wie sie eine Zigarette aus der goldenen Dose nimmt.«
    »Quatsch!« sagt Birke, und unmittelbar darauf: »Verzeihung!«
    Herr Graßmann, Herr Direktor Graßmann findet, daß er die ganze Sache falsch angefaßt hat. Er zieht wie ein alter routinierter Angler die Leine wieder ein. Er wartet besseres Fischwetter ab. An manchen Tagen beißen die
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