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Geliebter, betrogener Mann

Geliebter, betrogener Mann

Titel: Geliebter, betrogener Mann
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bader tätschelte dem Verwalter die Wange wie einem pausbäckigen Mädchen. Dabei lachte er, und Petermann wagte nicht, diese merkwürdige und ungewohnte Sympathiekundgebung des Dechanten durch Wegziehen des Kopfes zu beenden.
    »Ist … ist etwas mit Herrn Pohland?« stotterte er.
    »Meine Herren, gehen wir.« Bader stapfte die Stufen des Herrenhauses hinauf, schob das öffnende Hausmädchen zur Seite und ging geradewegs in den Schlafzimmertrakt. Dr. Wehrmann zeigte in der Diele auf einen Sessel.
    »Bitte, Doktor, hier bleiben Sie. Als Syndikus haben Sie keine Verbindung zu Chefinnen im Bett.«
    Dr. Corbeck ließ sich in den Sitz fallen, er war plötzlich müde, viel zu müde, um auf Wehrmanns Worte eine nötige Antwort zu geben. Er schloß die Augen und ruhte sich wohlig aus. Dr. Wehrmann rannte dem Dechanten nach in das Schlafzimmer Gerda Pohlands. Er kam hinzu, als Bader gerade lautstark erklärte.
    »… ist es einem Priester erlaubt, in außergewöhnlichen Fällen auch eine Dame im Bett zu besuchen …«
    Gerda Pohland saß in ihrem Bett, die Decke ans Kinn gezogen, und musterte Bader und Dr. Wehrmann mit halb erschrockenen, halb belustigten Blicken. Der Anblick Wehrmanns schien zu bestätigen, was sie bei dem Dechanten nicht für möglich gehalten hatte: Sie hatte Betrunkene vor sich.
    »Wenn Sie mich fünf Minuten entschuldigen«, sagte sie lächelnd. »Ich bin dann soweit und lasse Ihnen einen starken Kaffee machen.«
    »Am besten, sie bleibt liegen«, sagte Bader und wandte sich an Wehrmann. »Was sagt der Arzt?«
    »Im Augenblick strenge Bettruhe.«
    »Meine Herren!« Gerda Pohland hob beide Hände, aber Bader winkte mit seinen riesigen Händen ab.
    »Gott hat es gefügt, daß seine Gnade …«, setzte er an, aber dann sah er Dr. Wehrmann an und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er laut. »Das ist falsch. Das sind Phrasen. Es handelt sich um eine große Freude, und man soll die Freude nicht zerreden, Frau Gerda!«
    »Dechant!« rief Dr. Wehrmann dazwischen. »Diplomatisch!«
    »Ruhe! Immer diese Ärzte! Frau Gerda …« Bader trat neben das Bett, ein Turm in einem schwarzen Mantel. »Geburt und Tod sind zwei Dinge, die Menschwerdung und Rückkehr zu Gott sind ein Kreislauf voll von Schicksal. Selten ist in diesem vorgeschriebenen Weg des Menschen eine Wiedergeburt …«
    Weiter kam er nicht. Gerda Pohland zuckte hoch und warf beide Arme empor.
    »Micha!!« schrie sie. Es war ein Aufschrei, der alle Hüllen einer Seele aufriß.
    »Er kommt«, sagte Bader schlicht. »In vier Tagen landet er in Düsseldorf.«
    Das letzte Wort vernahm Gerda Pohland schon nicht mehr. Sie war zurückgesunken und lag ohnmächtig quer über dem Kopfkissen. Dr. Wehrmann saß am Bettrand, hielt ihren Puls und sah grollend zu Dechant Bader hinauf.
    »Das nennt man nun diplomatisch«, brummte er. »Was soll ich jetzt tun? Ich habe doch meine Tasche zu Hause gelassen … Los, Sie Riesenbär … holen Sie kaltes Wasser!«
    Und Dechant Peter Bader rannte los und brachte aus dem Badezimmer eine Schüssel mit Wasser und einen Waschlappen.
    Am Tage nach diesem umwälzenden Ereignis, als die ersten Zeitun gen in Schlagzeilen von der wunderbaren Rettung Michael Poh lands und Dr. Heidkamps aus dem hinterasiatischen Dschungel be richteten; als die Werkhallen geschmückt wurden, das Arbeitszim mer und die gläserne Empfangshalle des Verwaltungshochhauses ei nem tropischen Garten glichen mit einer unwahrscheinlichen duf tenden Blütenfülle; als man die Frau des Ingenieurs Heidkamp behandelte, die nach der Nachricht einen Nervenschock erlitten hatte und wie gelähmt dalag – an diesem Tag, der ganz Michael Pohland gehörte, wurde in der gynäkologischen Klinik von Pro fessor Dr. Kanoldt die kleine, dralle, hübsche und fröhliche Anna Petermann operiert und für alle Zeiten unfruchtbar gemacht.
    Es war eine einfache Operation, für einen Chirurgen eine Routinearbeit, eine simple Tubensterilisation, die normal keinerlei Komplikationen nach sich zieht. Bei Anna Petermann hingegen ging es wieder um Leben und Tod. Die Fäden hielten nicht in den Muskeln, die Ligaturen rissen ein, als stäken die Fäden in einer morschen Masse, die unter den Nadeln zerbröckelte.
    Professor Kanoldt fluchte und warf mit Ausdrücken um sich, von denen das klassische Wort ›Scheiße‹ noch das mildeste war. Vier Stunden dauerte es, bis die Blutungen zum Stillstand gebracht werden konnten, bis die Nähte hielten, bis man weit über das Notwendige hinaus herausnahm,
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