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Geliebte Schwindlerin

Geliebte Schwindlerin

Titel: Geliebte Schwindlerin
Autoren: Barbara Cartland
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Anwalt mußte ihr insgeheim recht geben, sagte aber:
    „Vielleicht gibt es doch irgendeine nette Dame, die mit Ihrem Vater bekannt war und sich gern Ihrer annehmen und Sie in die Gesellschaft einführen würde, Miß Minella?“
    „Ich glaube nicht, daß ich an diesen Leuten sonderlich interessiert bin“, sagte Minella versonnen, als spräche sie mit sich selbst. „Mama pflegte mir von ihnen zu erzählen; bei Tante Esther möchte ich aber auch nicht wohnen. Das wäre sehr, sehr unerfreulich für mich.“
    Da ihre Stimme verdächtig dünn klang, als kämpfe sie erneut gegen ihre Tränen an, sagte Mr. Mercer gütig: „Sie brauchen sich heute noch nicht zu entscheiden, Miß Minella, nachdem wir so viele betrübliche Dinge miteinander besprechen mußten. Bis Ende des Monats können Sie hier wohnen bleiben und sich in aller Ruhe überlegen, wo Sie in Zukunft leben möchten.“
    Sie hatte die ganze Nacht wach gelegen und alle Verwandten ihres Vaters, die sie kannte und die noch lebten, Revue passieren lassen, ebenso die Verwandten mütterlicherseits, die sie nur dem Namen nach kannte.
    „Irgend jemanden muß es doch geben“, sagte sie sich zum hundertstenmal.
    „Ich bin sicher, daß Sie jemand finden werden“, ermutigte sie Mr. Mercer.
    Damit erhob er sich und ordnete die Papiere auf dem Schreibtisch, um sie in seiner Lederaktentasche zu verstauen. Sie war alt und abgewetzt und stammte aus der Zeit, als er die Anwaltspraxis seines Vaters übernommen hatte. Obwohl seine Partner in der Kanzlei sich über das Museumsstück lustig machten, dachte er gar nicht daran, sich davon zu trennen.
    Minella brachte ihn zur Tür. Draußen wartete der altmodische Gig, der zweirädrige Einspänner, der von einem jungen Pferd gezogen wurde. Damit würde er nicht lange brauchen, um Huntingdon zu erreichen, wo sich seine Kanzlei befand.
    Der Anwalt kletterte in die Kutsche. Der junge Kutscher, der das Pferd im Zügel festgehalten hatte, sprang auf den Sitz und schnalzte mit der Zunge. Knirschend rollten die Räder des leichten Gefährts über den losen Kiesbelag der Auffahrt, die von Unkraut überwuchert war und dringend der pflegenden Hand eines Gärtners bedurft hätte.
    Minella winkte Mr. Mercer nach und ging dann ins Haus zurück. Die Tür schloß sich hinter ihr, und sie konnte sich noch immer nicht vorstellen, daß sie kein Zuhause mehr haben würde und ihre Zukunft völlig ungewiß war.
    Es sei denn, sie entschloß sich schweren Herzens, bei Tante Esther zu wohnen. Der Gedanke bedrückte sie wie eine bedrohliche schwarze Wolke.
    An jedes Wort des Briefes konnte sie sich erinnern, den ihre Tante geschrieben hatte, als die Todesanzeige in der Zeitung erschienen war. Ohne Wärme und Anteilnahme waren ihre Zeilen, besonders der Nachsatz, den sie daruntergekritzelt hatte: „Vermutlich wirst du bei mir wohnen wollen, weil es sonst kaum noch lebende Familienangehörige gibt. Eine zusätzliche Last für mich, aber ich bin ja nie vom Leben verwöhnt worden und werde auch das ertragen.“
    Eine Last! Dieses harte Wort verfolgte Minella geradezu. Ihr Stolz war so tief verletzt, daß sie ihrer Tante am liebsten postwendend geantwortet hätte, sie werde niemandem zur Last fallen.
    „Habe ich das nötig?“ fragte sie sich trotzig. „Ich bin jung, habe eine gute Erziehung genossen und gelte als einigermaßen intelligent. Es müßte mir doch möglich sein, mir meinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen.“
    Doch darauf gab es vorläufig keine Antwort.
    Auf dem Weg zum Herrenzimmer fiel ihr ein, daß sie die persönlichen Papiere ihres Vaters durchsehen und vernichten mußte, damit die neuen Besitzer nicht in den Privatsachen des verstorbenen Lord Heywood herumschnüffeln konnten.
    Die Leute im Dorf und die wenigen Nachbarn in der näheren Umgebung des Landsitzes sprachen entweder voller Bewunderung über ihren Vater, oder sie mißbilligten seine Vergnügungssucht, die ihn immer wieder nach London und in zweifelhafte Gesellschaft trieb.
    Es konnte nicht ausbleiben, daß die pikanten Geschichten, die er in London erlebte, nach und nach auch in diesem entlegenen Winkel des Landes bekannt wurden.
    Es geht sie gar nichts an, dachte Minella, und doch widerstrebte es ihr, seine Privatpost liegenzulassen, so daß Unbefugte sich daran ergötzen konnten.
    Persönliche Dinge, wie Einladungen zum Ball, Schleifchen, Damenhandschuhe oder duftende Spitzentüchlein würden Anlaß zu üblen Klatschgeschichten geben, wovon ohnehin schon genügend über
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