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Geliebte Schwindlerin

Geliebte Schwindlerin

Titel: Geliebte Schwindlerin
Autoren: Barbara Cartland
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befand. Vermutlich irgendwo im West End.
    „Wenn ich in London wäre, würde ich bestimmt Dutzende von Stellenangeboten bekommen“, sagte sich Minella. „Vielleicht könnte ich Kinder hüten, sie unterrichten, oder als Verkäuferin in einem Laden arbeiten, wenn Mama das auch mißbilligt hätte.“
    Sie ging davon aus, daß Ladenmädchen sehr schlecht bezahlt wurden und eine sehr lange Arbeitszeit hatten, obwohl sie keine Beweise für diese Annahme hatte.
    Sicher traf das nur auf große Läden zu, die Massenartikel verkauften und Käufermassen anzogen.
    Gewiß gab es auch vornehmere Geschäfte, die nur zu gern eine Dame vom Landadel einstellen würden.
    Minella lächelte bei diesem Gedanken vor sich her. „Papa wäre es sicher niemals in den Sinn gekommen, dieses Statussymbol kommerziell zu nutzen“, überlegte sie sich.
    Aber warum eigentlich nicht? Was sprach dagegen?
    Auf jeden Fall war es doch vorteilhafter, wegen seines damenhaften Auftretens und Aussehens eingestellt zu werden als wegen dreisten Benehmens und mangelhafter Bildung.
    Sie trat vor den Spiegel und mußte daran denken, wie hübsch Connie ausgesehen hatte, als sie ihnen vor einem Jahr einen Besuch abgestattet hatte.
    Kritisch betrachtete sie ihr eigenes Spiegelbild. Ihr ovales Gesicht war ebenmäßig wie das ihrer Mutter, die Augen wirkten darin übergroß und beherrschten das ganze Gesicht. Sie musterte sich, als sei sie eine Fremde, und fand ihre Augen ungewöhnlich, vielleicht, weil sie grau waren. Jetzt schienen sie allerdings die sie umgebenden Farben widerzuspiegeln, und bei Sonnenschein hatten sie einen Goldschimmer.
    Ein andermal wieder wiesen sie das Grau einer Regenwolke auf oder wirkten bei erweiterten Pupillen beinahe schwarz oder hatten einen dunklen Purpurton.
    „Ich wünschte, ich hätte blaue Augen wie Connie“, sagte sie zu ihrem Spiegelbild. Sie betrachtete ihre kleine gerade Nase und den sanft geschwungenen Mund und fand, daß sie auffallend jung und kindlich aussah.
    „Wer sollte mir schon einen verantwortungsvollen Posten übertragen?“ fragte sie sich.
    Sie überlegte sich, wie sie sich ein wenig älter machen könnte. Die meisten Mädchen trugen ihr langes Haar in einem Gewirr von Wellen und Locken auf dem Hinterkopf aufgebauscht, wobei meistens mit Brennschere und Lockeneisen nachgeholfen wurde, wie Minella wußte.
    Sie hatte solche Hilfsmittel nie benötigt, denn ihr Haar wies Naturwellen auf und reichte bis fast zur Taille. Sie machte sich nicht die Mühe, es zu einer kunstvollen Frisur aufzustecken, sondern ließ es bei den hundert Bürstenstrichen bewenden, zu denen ihre Mutter sie angehalten hatte. Dann schlang sie ihr Haar zu einem Nackenknoten zusammen, den sie mit Haarnadeln feststeckte, und war für den ganzen Tag frisiert.
    Ihr Vater legte großen Wert darauf, daß sie immer ordentlich aussah. „Ich kann Frauen nicht ausstehen, die beim Reiten eine zerzauste Frisur haben“, pflegte Lord Heywood häufig zu sagen.
    Um ihn nicht zu erzürnen, benutzte Minella immer Dutzende von Haarnadeln, um ihren Knoten zu befestigen und zog ein Haarnetz über, bevor sie mit ihm ausritt.
    Ihr Haar hatte nicht den schimmernden Goldton, mit dem Connie überall Aufsehen erregte, sondern war fahl wie das erste Licht des Morgengrauens. Manchmal schimmerte es silbern, wie in Mondlicht getaucht, und in der Sonne erinnerte es an reife Kornähren oder erste Primeln im Frühling, die unter grünem Blattwerk hervorlugen.
    „Mag ja sein, daß ich wie eine Lady aussehe“, sagte Minella unwillig zu ihrem Spiegelbild, „aber wie eine ziemlich fade, nach der sich in London garantiert keiner umdreht.“
    Dann lachte sie, als wollte sie ihrem eigenen vernichtenden Urteil die Schärfe nehmen. Ihr Lachen hallte in dem leeren Zimmer wider, und ihr Gesicht schien von innen heraus zu strahlen. Ihre Augen leuchteten, und sie sah hinreißend aus, ohne es selbst wahrzunehmen. Ein Zauber ging von ihr aus, wie von ihrem Vater, der sich nicht erklären ließ, sondern ein Geschenk des Himmels war wie die Bäume in den Wäldern und der Glanz der Sterne, die sie nachts vom Fenster aus betrachtete.
    Die Sterne hatten schon immer eine besondere Anziehungskraft auf sie ausgeübt. Ihre Mutter hatte ihr erzählt, daß sie kurz nach Mitternacht zu Beginn eines neuen Jahres geboren worden sei, ihr Vater das Fenster geöffnet und dem Läuten der Neujahrsglocken mit seiner neugeborenen Tochter auf dem Arm gelauscht habe.
    „Ich erinnere mich genau“, sagte
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