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Geliebte Nanny

Geliebte Nanny

Titel: Geliebte Nanny
Autoren: Eileen Schlueter
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Trauzeugenstuhls irreversibel zu Grunde gehen.
    David nickt dem Brautpaar kurz zu und drängt sich zwischen Schwiegeropa und eine dicke Frau mit einer noch dickeren Nase. Ich verfolge jeden seiner Schritte und jede seiner Bewegungen. Meine Blicke heften sich regelrecht an sein sooo lang vermisstes Gesicht. Ich frage mich, ob er mich gesehen hat. Wusste er, dass ich hier sein würde? Er muss doch geahnt haben, dass ich, als Yasis beste Freundin, zweifellos als Trauzeugin fungiere.
    Der Standesbeamte nimmt seine Rede wieder auf, doch seine Worte fliegen bedeutungslos an mir vorbei. Zu eifrig bin ich damit beschäftigt, David im Auge zu behalten und auf den Moment fixiert, in dem sich unsere Blicke treffen werden. Aber er schaut einfach nicht zu mir herüber. Kein Wunder, der Mega - Turban von Yasis Schwägerin verdeckt ihm blöderweise die Sicht auf mich. Ich strecke mich und versuche mich, groß auf meinem Stuhl zu machen.
      »… bitte hier unterschreiben würden, Frau Bogner…«
    Häh? Mist, jetzt war ich für einen Moment abgelenkt und habe David aus meinem Blickfeld verloren. Fieberhaft fange ich an, ihn zu suchen. Wo ist er bloß?
    Himmel, warum hämmert dieser Hochzeitsheini denn die ganze Zeit mit seinem Kugelschreiber auf dem Tisch herum? Dieses ruhelose Klopfen macht mich ganz kirre. Und dann dieses neurasthenische Hüsteln. Er sollte sich wirklich einen anderen Job suchen, der gute Mann.
     » Äh, wie gesagt, bitte genau hier auf dieser Linie unterschreiben, Frau Bogner. « Der Mann tippt mit dem Kulli auf einen Zettel, der vor mir auf dem Schreibtisch liegt.
     »Verdammte Scheiße, Melissa, jetzt unterschreib endlich den Wisch!«
    Ups, ich glaube, es gibt nur einen einzigen, weiteren Anlass, bei dem eine Braut ähnlich unharmonisch reagieren würde, wie Yasi gerade eben. Nämlich dann, wenn der Bräutigam »Nein« sagt.
    Ich schnappe mir den Kulli und kritzle mit zittriger Hand meinen Namen auf das Blatt Papier. Dabei schaue ich nicht darauf, was ich schreibe sondern blicke direkt in Davids unergründliche Miene. Er schaut weder sauer noch wirkt er überrascht mich zu sehen, aber er lächelt auch nicht. Er starrt mich nur mit leblosem Blick an. Schnell schaue ich zurück auf meine Unterschrift, die beinahe senkrecht verläuft. Na ganz toll.

»Den Anblick, von in einem Liter Anisschnaps ersoffenem Räucherseelachs, möchte ich den übrigen Gästen lieber ersparen. «
     
    Da bin ich schon mal auf einer türkischen Hochzeit, die an Stimmung kaum zu überbieten ist und was mache ich, während dreihundert Hochzeitspartygäste gleichzeitig mit Schultern, Hüften und sonst welchen Körperteilen wackeln, was das Zeug hält – noch dazu auf einer Tanzfläche, die normalerweise für konventionelle Tänze wie Walzer oder Foxtrott konzipiert wurde? Ich fülle mich selbst ab. Mit Raki. Das Zeug schmeckt fürchterlich und erinnert mich irgendwie an Hustensaft. Aber es wirkt wesentlich schneller als Diebels. Ich wage zu bezweifeln, dass ich es noch schaffen werde, mich in aufrechter Haltung zum Schleiertanz auf’s Parkett zu begeben. Wer sollte mich überhaupt dazu auffordern?
    David wird es jedenfalls nicht tun. Den ganzen Tag und den ganzen Abend, sozusagen die ganze Hochzeit über, hat er mich keines Blickes gewürdigt. Als wir uns zufällig am Buffet gegenüber standen, ließ er absichtlich die Kräuterkartoffeln von seinem Teller kullern, worauf er sich nach ihnen bückte, um sich mir aus dem Blickfeld zu entziehen. Keine Spur von Vergebung in seinen Augen. Kein einziger freundlicher Blick von ihm. So etwas wie Versöhnung ist demnach also nicht in Sicht. Ich könnte heulen oder besser – noch einen trinken.
    Nach einem weiteren XL - Pinnchen Raki auf Ex und zwei Würgattacken hat mich auch die letzte Hoffnung verlassen. David ignoriert mich. Er hasst mich. Ich glaube, es ist an der Zeit aufzugeben!
    Diese jähe Resignation bringt mich auf einmal auf ganz merkwürdige Gedanken. Herrje, ich hoffe inständig, es liegt nur an der Überdosis Raki, dass ich mir mit einem Mal einbilde zu bereuen, Sören den Laufpass gegeben zu haben. War es denn wirklich so schlimm mit ihm? Ich meine, ich werde bald siebenundzwanzig. Eine alte Schulfreundin hat letzte Woche ihr erstes Kind zur Welt gebracht. Und meine beste Freundin ist schwanger und seit heute unter der Haube. Und ich? Ich dachte immer, ich würde die Erste sein, die den anderen stolz ihr Familienalbum präsentiert. Mit Sören habe ich wenigstens schon alles
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