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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia
Autoren: Karl Plepelits
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sie darüber hinaus zu einem Wendepunkt in meinem ganzen Leben werden würde. Ich hab' dieses Angebot, nach Ägypten zu fahren, wie gesagt, wahnsinnig gern angenommen, weil ... naja, ihr wißt ja sicher noch, daß Griechisch eigentlich mein Lieblingsfach ist ...“
    „Wieso?“ wirft Johnny ein. „Ich meine - was hat denn das mit Ägypten zu tun?“
    „Oh - sehr viel! Mehr, als du denkst! Du weißt doch: in der Zeit zwischen Alexander dem Großen und der Invasion der Araber, also in einem Zeitraum von ... 300 plus 600 ... von über 900 Jahren wurde ja in Ägypten neben Ägyptisch auch Griechisch gesprochen. Nun hat ja Ägypten bekanntermaßen unter all den Ländern, in denen damals Griechisch gesprochen wurde, ein ganz und gar einzigartiges Klima, nämlich ein absolut trockenes Wüstenklima, und im Wüstensand der Sahara haben sich über die Jahrtausende hinweg auch organische Substanzen erhalten, die anderswo schon längst verrottet und zerfallen wären. Das allein hat mich immer schon fasziniert; was mich aber als Gräzisten immer am allermeisten fasziniert hat, das ist der Umstand, daß sich dort auch Bücher und alle anderen Arten von Schriftstücken erhalten haben - schon ägyptische Papyri aus der Pharaonenzeit und dann natürlich auch griechische Papyri aus der späteren griechisch-römischen Zeit. Ich hab' nämlich - ich weiß nicht, ob ich euch das schon einmal erzählt habe - noch ein zweites Hobby: die griechische Papyrologie. Das klingt zwar zugegebenermaßen furchtbar trocken, ist es aber nicht, im Gegenteil: in kaum einem anderen Gebiet der Altertumswissenschaft kommt man dem wirklichen Leben so nahe, als wenn man die von den gewöhnlichen Menschen der damaligen Zeit oft genug fehlerhaft beschriebenen Originalschriftstücke vor sich hat und sich mit ihnen intensiv auseinandersetzt.
    Naja, jetzt bin ich vor lauter Begeisterung direkt ins Schwärmen geraten und im Eifer des Gefechts ein wenig von meinem Thema abgeschweift. Was ich also eigentlich sagen wollte: eine Reise nach Ägypten hätte mich eben immer schon interessiert, und drum hab' ich gegenüber Hannes, dem damaligen Reisereferenten des Katholischen Bildungswerks, früher schon mehrmals vorsichtig angedeutet, daß ich ganz gern auch einmal nach Ägypten fahren würde. Aber nein, da waren immer schon diese alten Hasen, die sogenannten Ägyptenspezialisten, die all die Erfahrung haben, die man für Ägypten angeblich braucht, und für mich als Anfänger war nie was übrig. Und dann begannen auf einmal diese Terroranschläge der islamischen Fundamentalisten gegen westliche Touristen, und die Ägyptenreisen gingen schlagartig zurück. Und wie dann zu Weihnachten '93 österreichische Touristen bei einem solchen Terroranschlag echt zu Schaden gekommen sind, da hatten unsere tollen Ägyptenspezialisten mit ihrer unvergleichlichen Erfahrung auf einmal keine Zeit ... oder eher die Hosen voll ... Na, kurz und gut, so ist es eben gekommen, daß ich plötzlich für Ägypten gut genug war und daß mir für die vorjährigen Semesterferien eine Reiseleitung dorthin angeboten worden ist. Natürlich hab' ich sofort zugegriffen - ich bin ja nicht nachtragend, und Angst hab' ich auch keine; und sowieso, so wurde mir versichert, stehen jetzt alle Touristengruppen in Ägypten unter Polizeischutz. Ein Glück war's übrigens auch, daß man mir das schon frühzeitig genug mitgeteilt hat. So konnte ich mich noch gründlich und in aller Ruhe vorbereiten. Das eine muß ich nämlich schon sagen: für jeden, der nicht gerade Ägyptologe ist, ist eine halbwegs anständige Vorbereitung auf Ägypten ein ganz schön harter Brocken! Aber natürlich hab' ich's gern und mit Genuß getan, und manches ist mir ja sowieso schon bekannt gewesen. Viel später hab' ich dann erst erfahren, daß einem in Ägypten eh automatisch ein einheimischer Führer zugeteilt wird, der alle Führungen und Erklärungen macht. Damit hatte ich natürlich überhaupt nicht gerechnet, denn bis dahin war ich für solche Dinge immer selber zuständig gewesen - außer, wenn vielleicht einmal ein Schloß oder ein Kloster besichtigt wurde, wo es einen eigenen Führer gibt, wie das ja auch bei uns hier im Stift der Fall ist. Aber auch da hab' ich meistens für meine jeweilige Gruppe übersetzen müssen.
    Wo ich das überhaupt erfahren habe? Na, bei besagten Ägyptenspezialisten natürlich. Spät, aber doch, hab' ich mich bei denen umgehört und mir entsprechende Tips geben lassen. Und wie es sich dann
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