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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia
Autoren: Karl Plepelits
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Schwester Sara von den Kairoer Müllmenschen, und ich sei gebeten worden, sie nach Kairo mitzunehmen und bei der Schwester Sara abzuliefern, und das gehe sicher nicht ruck-zuck.
    Aufkommendes Gemurmel enthob mich glücklicherweise weiterer Erklärungen, denn über die Schwester Sara und ihre Müllmenschen hätte ich zu dem Zeitpunkt eh noch nichts Genaueres gewußt, und überdies hielt gleich darauf direkt vor uns ein Polizeiauto, und im nächsten Moment wurden beide Vordertüren aufgestoßen, und aus jeder sprang ein reichlich martialisch aussehender Polizist heraus - nanu, was ist denn jetzt los? Haben wir eines der geheimnisvollen Gesetze des Landes übertreten? Hätte unser Jüngster, der zehnjährige Florian, vorhin vielleicht doch nicht fotografieren sollen? Oder verstößt eventuell das - im übrigen höchst reizvolle - Miniröckchen der einen unserer zwei jüngeren Damen gegen die Landessitte?
    Aber nein, die zwei Polizisten pflanzen sich nur mit einem breiten Grinsen vor uns auf und salutieren kurz und bleiben dann einfach stehen und grinsen uns und besonders die miniberockte junge Dame neugierig an. Jetzt erst merke ich, daß hinter dem Polizeiauto ein gewöhnlicher Pkw und hinter diesem ein Autobus angehalten haben, und dem Pkw entsteigen Mister Mohammed und Mister Ali, ebenfalls übers ganze Gesicht grinsend, und dem Autobus entsteigt mit dem allerbreitesten Grinsen unser toller Adonis, der uns durch ganz Ägypten führen soll und dem voraussichtlich alle stets an den Lippen hängen werden - die Damen, weil sie ihn vermutlich unwiderstehlich finden werden, und die Herren, weil sie wahrscheinlich versuchen werden, wenigstens irgendwas von dem, was er von sich geben wird, zu verstehen. Übrigens gibt er gerade was von sich ... Was sagt er denn? Ah, er meint wohl, die zwei neugierig grinsenden Polizisten werden uns auf der gesamten Reise begleiten und vor jeglicher Gefahr beschützen. Na toll, was? Beifälliges Gemurmel wird laut. Und wir mögen jetzt bitte in unseren Bus einsteigen. Das beifällige Gemurmel endet abrupt, und der Bus wird gestürmt - jawohl, gestürmt, oder man könnte auch sagen: besprungen, denn jeder versucht so wenig wie möglich naß zu werden.
    Gleichzeitig machen sich im Hintergrund lauernde Heinzelmännchen über unser Gepäck her, verstauen es ruck-zuck im Kofferraum und pflanzen sich anschließend mit erwartungsvoller Miene vor mir auf. Wollen die was von mir? Ach ja, das hätt' ich ja fast verschwitzt! Natürlich wollen die was von mir: ein Bakschisch nämlich! Und dabei hab' ich noch gar kein Trinkgeldpauschale von meinen Leuten eingesammelt! Das muß ich sofort nachholen! Angeblich gibt's ja in Ägypten nichts Wichtigeres als das Bakschisch. Zum Glück hab' ich wenigstens gerade eben im Flughafen Geld gewechselt! Ich zücke meine Brieftasche und beobachte gleichzeitig, wie die Augen der Heinzelmännchen zu leuchten beginnen. Nur - wieviel gibt man denn da eigentlich? Am besten, denk' ich mir, ich probier's einmal aus und fange klein an. Ich ziehe probehalber eine Ein-Pfund-Note heraus und halte sie ihnen mit verlegenem Grinsen hin. Da vergeht schlagartig das Leuchten in ihren Augen, ihre Mienen verdüstern sich, und wie auf Kommando brechen sie in ein sagenhaftes Geschrei aus, daß mir Hören und Sehen vergeht, und im nächsten Augenblick bin ich von einer ganzen Horde grimmig blickender dunkler Gestalten umringt, die mich drohend mustern. Da hab' ich natürlich nichts Eiligeres zu tun, als ganz rasch einen Zehn-Pfund-Schein zu zücken, und im selben Moment verstummt das Geschrei. Der Schein verschwindet, quasi im Handumdrehen, in einer flink ausgestreckten Hand. Aber, o Schreck, da strecken sich mir noch zwei weitere Hände entgegen! Na gut, denk' ich mir, sollen sie doch ebenfalls beide ihren Zehn-Pfund-Schein haben, und setze meine großartige Spendenaktion fort. Da geht ein glückliches und zufriedenes Lächeln über ihre Gesichter, und die Blicke der übrigen dunklen Gestalten wirken nun mit einemmal überhaupt nicht mehr bedrohlich, und im nächsten Moment hat sich der ganze Spuk in Luft aufgelöst.
    Ich drehe mich um - und blicke in die hämisch grinsenden Gesichter unserer vollständig versammelten ägyptischen Mannschaft. Aber gleich darauf richtet Mister Mohammed, ernster werdend, das Wort an mich, wünscht mir weiterhin viel Erfolg - ist das ironisch gemeint? - und verspricht, mich morgen abend im Hotel aufzusuchen und nachzuschauen, ob ich auch wirklich zufrieden
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