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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia
Autoren: Karl Plepelits
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nur, stumm und jeder seinen eigenen Gedanken hingegeben oder vielleicht auch nur hingebungsvoll die erfrischende Nachtluft genießend, über die verschlungenen Parkwege. Kaum haben sie jedoch ihre Lieblingsbank von einst erreicht und sich auf ihr niedergelassen, da bricht die Henne das Schweigen, räuspert sich ein paarmal und sagt dann, zu Giggerle alias Titinos gewandt: „Soso! Du hast dich also vom Schuldienst beurlauben lassen, um nach Herzenslust reisen zu können, ohne auf die Ferienzeiten beschränkt zu sein? Hab' ich das so richtig verstanden?“
    „Mhm, das hast du so ganz richtig verstanden!“ versichert der Angesprochene. „Nur - der Wahrheit entspricht es leider nicht ganz! Es ist nur quasi die offizielle Version, und in Anwesenheit unserer lieben Patres wollte ich nicht ... Du verstehst schon!“
    „M-m!“ widerspricht die Henne. „Keine Ahnung, was du meinst!“
    „Naja - in Wirklichkeit hab' ich mich natürlich vom Schuldienst nicht beurlauben lassen ... ich bin beurlaubt worden ... oder genauer: ich bin gefeuert worden ... jawohl: hinausgeschmissen. Und drum hab' ich heuer eben Zeit, ...“
    „Wie bitte? Gefeuert worden? Hinausgeschmissen?“ wirft Johnny mit allen Anzeichen völligen Entsetzens ein und starrt ihn mit offenem Munde an. „Das ist doch nicht dein Ernst!“ Und als Giggerle bestätigend nickt, fährt er kopfschüttelnd fort: „Aber geh - du wirst doch nicht deine Schüler mißhandelt oder deine Schülerinnen vergewaltigt haben?“
    „Nein, nein!“ wehrt dieser lachend ab. „Das nicht! Viel Schlimmeres hab' ich ...“
    „Viel Schlimmeres?“ unterbricht die Henne ungläubig.
    „... hab' ich in den Augen der Mutter Kirche verbrochen - jawohl!“ Und da ihn die anderen nur bestürzt anstarren, fährt er fort: „Wie heißt das Sechste Gebot?“
    Und Johnny antwortet zögernd: „Du ... du sollst nicht ehebrechen?“
    „Genau - du sollst nicht ehebrechen.“
    „Ja, aber ...“ Johnny schüttelt fassungslos den Kopf und muß ein paarmal schlucken, ehe er fortsetzen kann: „... in welchem Jahrhundert leben wir denn eigentlich? Leben wir im Mittelalter? Sowas ist doch heutzutage schon lang kein Kündigungsgrund mehr!“
    „Für unsere Mutter Kirche offenbar schon!“ entgegnet Giggerle.
    „Aber ich bitte dich!“ meldet sich jetzt die Henne wieder zu Wort. „Das kommt doch in den besten Familien vor. Stell dir vor, man würde alle, die ihre Ehe brechen, kündigen! Das gesamte Wirtschaftsleben würde zusammenbrechen! Was sag' ich: Wirtschaftsleben! Es würde heißen: Rien ne va plus - abgesehen vielleicht von den Gottesdiensten und Begräbnissen!“
    „Ja, und das auch nur, weil die Geistlichen ihre Ehe gar nicht brechen können!“ ergänzt Johnny lachend. „Was man nicht hat, kann man auch nicht brechen, oder?“
    „So ist es! Aber im Ernst: es wird doch kein Verbrechen sein, eine kleine Freundin zu haben! Und wenn, dann muß man's ja nicht gleich an die große Glocke hängen!“
    „Sehr richtig!“ pflichtet Johnny bei und wendet sich mit fragendem Blick Freund Giggerle zu. Und nach längerer Pause erwidert diese mit leiser Stimme: „Ich hab's ja auch gar nicht an die große Glocke gehängt!“ Und nach einer weiteren Pause und mit noch leiserer Stimme: „Ich hätte gar keine Möglichkeit gehabt, es an die große Glocke zu hängen ... das haben ...“ Er verstummt mitten im Satz und fährt dann in verändertem Ton fort: „Naja, ich fürchte, das muß ich euch ein bisserl ausführlicher erklären ... Wie ihr ja beim Maturatreffen gehört habt, betätige ich mich seit einiger Zeit als Reiseleiter, nicht wahr, momentan aus gegebenem Anlaß sogar hauptberuflich, bis vor einem Jahr natürlich nur als Hobby neben der Schule, und klarerweise nur während der Ferien. Jetzt fahre ich für ein St. Pöltner Reisebüro, das Kulturreisen oder Studienreisen, wie man das nennt, organisiert; ursprünglich bin ich für das Katholische Bildungswerk St. Pölten gefahren ...“
    „Wohin denn überall?“ unterbricht die Henne.
    „Naja - nach Rom halt, nach Lourdes, nach Fatima, dann auch nach England und Irland, und einmal sogar nach Griechenland, was für mich persönlich, wie ihr euch leicht denken könnt, unheimlich wichtig gewesen ist. Und dann ist mir schließlich eine Reise nach Ägypten angeboten worden, und dieses Angebot hab' ich mit Freuden angenommen, ohne zu ahnen, daß diese Fahrt der Anlaß für meine Entlassung aus dem kirchlichen Schuldienst sein würde ... und daß
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