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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr
Autoren: Leo Sander
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Beinchen so kaputt, dass sie es dir abschneiden müssen«, sagte ich.
    Ich blätterte die Kronenzeitung durch und wartete, bis ich mir seiner Aufmerksamkeit wieder sicher sein konnte. Es dauerte eine Weile.
    »Du lässt die Winkler Vera und ihren Sohn in Ruhe«, sagte ich schließlich. »Keine Anrufe, kein Rachefeldzug im Internet, kein Auflauern. Verstanden? Wenn du ihr zufällig wo begegnest, dann wechselst du die Straßenseite, als wär der Teufel hinter dir her. Das wär dann nämlich ich.« Ich sah in seine Rattenaugen. »Sag ja.«
    Er nickte zweimal. »Ja.«
    »Als Schadenersatz zahlst du, sagen wir, zehntausend Euro. Damit kommst du noch billig davon.« Für mehr war er sicher nicht gut.
    »So viel hab ich aber nicht.«
    »Nimm einen Kredit auf«, sagte ich fröhlich. »Leichteste Sache der Welt. Erfülle dir deine Träume. Aber lass dir nicht zu viel Zeit. Das Leben ist kurz.« Ich wartete einen Augenblick. »Na?«
    Er nickte wieder. Sein »Ja« klang schwach.
    »Eine Therapie machst du auch.« Ich ließ einen kleinen Folder und eine Visitenkarte auf seine Decke fallen und tippte mit einem Finger darauf. »Dort rufst du an. Sobald du wieder humpeln kannst, machst du mit.«
    Ich hatte keine Illusionen über die Dauerhaftigkeit meiner Maßnahmen. Sobald ich weg war und er sich erholt hatte, würde er flugs wieder in seine alten Muster zurückfallen. Der Therapie im Gewaltzentrum traute ich nicht viel zu. Smirnik würde von Zeit zu Zeit eine Auffrischung brauchen. Aber was waren die Alternativen? Die beste Lösung wäre, wenn ich ihn spenden könnte. Oder verkaufen. Als Ganzes oder in Einzelteilen. Nieren und so weiter. Dann hätten viele Leute was davon. Ich dachte an unsere letzte Begegnung. Wie weit wäre ich wirklich gegangen, wenn er nicht von allein hingefallen wäre? Düstere Gedanken keimten auf.
    »Ich brauche eine Schmerztablette«, jammerte Smirnik und riss mich aus meinen Betrachtungen.
    Ich rollte die Zeitung zusammen und schlug sie ihm auf den Nasengips. »Hab ich dich was gefragt?«
    Vielleicht sollte ich selbst eine Anti-Gewalt-Therapie machen, überlegte ich. Aber was würde ich dann arbeiten?
    »Wenn es auch nur die geringste Unannehmlichkeit für die Vera gibt, bist automatisch du schuld«, sagte ich. »Dann komm ich zu dir und verpasse dir eine Schönheitsoperation. Für mich ist das ein Ausgleichssport.« Ich warf die Zeitung aufs Bett. »Vielleicht sorge ich dafür, dass du wieder ins Gefängnis kommst. Zusammen mit lauter klasse Burschen. Du kennst das eh schon.«
    Smirnik starrte mich an und sagte nichts.
    »Wenn du mir zu viel Arbeit machst, verkaufe ich dich an die Organhändler in der Ukraine.«
    Ich war so böse, ich hatte fast vor mir selbst Angst.
    »Was musst du machen, damit das nicht passiert?« Ich zupfte an seinem Infusionsschlauch. »Sag es.«
    »Vera in Ruhe lassen«, sagte er folgsam.
    »Und?«
    »Zahlen.«
    Ich zog meine Augenbrauen hoch.
    »Zehntausend Euro«, sagte er schnell.
    »Und?«
    »Therapie machen.«
    »Denk dran: Ich kontrollier das«, sagte ich.
    Die Tür ging auf. Krankenschwestern mit Plastikmappen und Ärzte mit Stethoskopen strömten zur Visite herein.
    »Gute Besserung, lieber Schorschi«, sagte ich aufmunternd und verließ das Zimmer.

    *

    »Dieser blöde Bauingenieur«, sagte Bettina und wirbelte um ihre eigene Achse.
    Ich zog sie an mich und wir wiegten weiter durch das Halbdunkel. Lateinamerikanische Rhythmen und wehklagender Gesang erfüllten den Saal. Kellner schwirrten wie Nachtfalter am Rande der Tanzfläche herum. Weiße Damasttücher auf runden Tischen bildeten die Landebahnmarkierungen.
    »Der über die Bestechungen plaudern wollte?«, fragte ich und geriet prompt aus dem Takt. »Was ist mit ihm?« Mit dem Blick am Boden versuchte ich, meine Schritte wieder zu synchronisieren.
    »Aus mit Plaudern«, sagte sie. »Ist zugeschnappt wie eine Auster. Fährt plötzlich einen Riesen-BMW und arbeitet jetzt bei einer Tochterfirma des Konzerns.«
    »Er hat dich nur dazu benutzt, Geld herauszuschlagen?«
    Sie nickte. Zwischen ihren Augenbrauen hatten sich zwei tiefe Falten gebildet. Schwarze Strähnen klebten auf ihrer nassen Stirn.
    »Sieh es als Kompliment«, sagte ich. »Er respektiert dich als wirkungsvolles Druckmittel, um seine Firma zu erpressen. Sogar der Baukonzern hat sich indirekt vor dir verbeugt. Deine Artikel sind eine ernstzunehmende Bedrohung.«
    »Ach.« Sie schüttelte unwillig den Kopf. »Diese Kröte. Lassen wir das. Apropos. Glaubst
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