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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr
Autoren: Leo Sander
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nicht bewegte. Ab und zu fuhren Fahrzeuge vorbei. Lastwagen, ein paar PKWs, ein Linienbus. Ich überlegte, ob man Autositze mit Aussparungen für Waffenträger bestellen konnte.
    Bloderer erschien nach zwanzig Minuten wieder. Seine Tasche schlenkerte nicht mehr ganz so haltlos herum. Das Telefon vibrierte wieder. Hatte Poldi noch Infos? Es war Julia. Jetzt nicht. Ich wies den Anruf ab.
    Der Audi schoss aus dem Dunkel. Ich startete und folgte ihm. Der Verkehr war mittlerweile fast völlig versiegt und zwang mich, einen großen Abstand einzuhalten. Ich sah ihn an der Ampel beim Interspar rechts abbiegen und drückte das Gaspedal durch. Der schwere Wagen wurde vorwärts katapultiert wie ein Kampfjet beim Flugzeugträgerstart. Nach der Kurve sah ich gerade noch seine Rücklichter auf der Autobahnauffahrt verschwinden. Vor der Radarkabine beim Tunnel bremste er von 130 auf die erlaubten 80 herunter und nahm die erste Ausfahrt Richtung Leonding. Zu seiner Wohnung ging es aber geradeaus.
    Wo wollte er hin?
    Kurz nacheinander bretterten wir durch Gaumberg. Links stand eine lange Reihe völlig gleicher Wohnhäuser. Rechts zogen sich niedrige Gebäude am Zaun vor den Eisenbahngleisen entlang. Bars, Wettcafés, eine Bankfiliale, wo früher ein Bordell gewesen war. Die um diese Zeit nur gelb blinkenden Ampeln auf der kilometerlangen Geraden verlangsamten ihn nicht. Nach der Stadtgrenze ging es an Autohändlern und grellbeleuchteten Geschäftszeilen unter wolkenlosem nachtblauem Himmel vorbei. Dann tauchten wir in die Betonwüste der großen Einkaufszentren ein.
    Er bog ab, steuerte einen Parkplatz im Freien hinter einem Großkino an und parkte in der leeren letzten Reihe. Die Autos der Besucher drängten sich so nah wie möglich zum Lichtschein der buntglitzernden Neonbeleuchtung. Mehr als die Hälfte der weitläufigen Asphaltfläche war leer.
    Ich wendete in der Einfahrt einer verlassenen Handelsfirma und hielt neben einer Hecke. Ein paar Verrenkungen und ich hatte fünfzig Meter ungetrübten Blick. Bloderer blieb im Auto sitzen.
    Wartete er auf jemand? Ein Treffen? Ich beschloss, ebenfalls zu warten.
    Zwei Reihen von ihm entfernt kroch ein silberner Jaguar umständlich heran. Neben dem Kennzeichen prangte ein ovales CC-Schild. Angeber. Die Tür wurde aufgestoßen und schwang ein paar Mal gegen den Feststeller. Ein Mann mit einer Aktentasche hievte sich heraus. Er war nur um einen Kopf größer als das Auto. Seine Hose spannte über den Schenkeln und hörte ein paar Zentimeter über den Schuhen auf. Unter dem offenen Jackett wölbte sich ein stattlicher Bauch. Das weiße Hemd war zum Zerreißen gespannt.
    Der Honorarkonsul etwa? Der Geschäftsführer der Firma, der das Grundstück mit dem Container drauf gehörte. Krafft, richtig.
    Er ging zum Audi.
    Ich stieg aus, drückte die Tür leise zu und ging ein Stück in Richtung schlafende Industriebetriebe, bis ich außer Sicht war. Im Dunkel überquerte ich die Straße und schlich zum Audi zurück. Ich riss die hintere rechte Tür auf und ließ mich auf den Rücksitz fallen.
    »Hände aufs Lenkrad!«, befahl ich und rammte Bloderer die Pistole ins Ohr.
    Keine komplizierte Dienstanweisung für den Waffengebrauch. Herrlich.
    Bloderer zuckte zusammen und fügte sich. Die Pistole würde ich nachher reinigen müssen. Ein plastikumhülltes Päckchen war gerade in der Aktentasche auf dem Schoß von Krafft verschwunden. So groß wie ein Doppelpack Butter. Ein Kilo Kokain, Standardgröße. Als gäbe es ein Normungsinstitut für Drogenkartelle.
    »Guten Abend, die Herren«, sagte ich. Beide wirkten ein bisschen baff. Kraffts grauer Anzug erinnerte mich an meine Schulzeit. Mein strenger Klassenvorstand im Gymnasium hatte auch so ein abgewetztes, schlecht sitzendes Standardteil getragen. Ekelhaft süßlicher Parfumgeruch füllte den Innenraum.
    »Legen Sie die Hände aufs Armaturenbrett, Herr Krafft!«, sagte ich.
    Wenn er schockiert war, dass ich wusste, wer er war, dann zeigte er es nicht. Ich schätzte ihn auf gute fünfzig. Spärliches graues Haar, rundes Gesicht mit dicken Wangen, dicke Finger. Kleine, stechende Äuglein, die ständig zwischen mir und Bloderer wechselten. Kalkulierend, abschätzend, Chancen berechnend. Gegen den wirkte Bloderer trotz seiner Größe und Muskeln wie ein Waisenknabe.
    Er musste sich nach vorn beugen, um das Armaturenbrett zu erreichen. »Was wollen Sie?«, sagte er indigniert, als wäre ich in seinen exklusiven Privatclub eingedrungen.
    Aus der offenen
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