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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr
Autoren: Leo Sander
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wurden.
    »Wann war denn Richter hier?«, sagte ich.
    »Fast jede Woche ein-, zweimal. Am Nachmittag. Hat gewettet, ein bisschen was getrunken und die Spiele verfolgt.« Er nickte zu einem Flachbildfernseher, der über den Tischen montiert war. »Guter Kunde.«
    »Hat er jemand Geld geschuldet? Hoch gewettet?«
    »Nein, nicht dass ich wüsste. Warum  … », sagte er.
    »Kennen Sie Freunde oder Bekannte von ihm?«
    Kopfschütteln. »Er war immer allein hier.«
    »Irgendetwas Außergewöhnliches? Hat er Feinde gehabt?«
    »Nein, nicht dass ich  … « Seine Züge hellten sich auf und er zeigte zum Automatenseparee. »Vielleicht weiß der Enrico was. Mit dem hat er öfter geredet.«
    »Was schlucken die Automaten?«, sagte ich.
    Er gab mir eine Handvoll Ein-Euro-Stücke aus der Kassenlade. »Geht aufs Haus.«
    »Ich hab so Kopfweh, Gabi«, sagte Werner.
    Ich ging in den Nebenraum und deponierte die Münzen auf einem Spielautomaten neben Enrico. Die Gerätebildschirme waren die einzige Beleuchtung. Enrico hatte Sicherheitsnadeln in beiden Wangen, Tattoos auf dem Hals und Schmuck, der seine Ohrläppchen ausdehnte. Ich fühlte mich an eine Afrika-Dokumentation erinnert. Es hupte und auf seinem Bildschirm blinkte »Insert coin«.
    Er kramte in seiner Hosentasche und sagte leise: »Geh, scheiße.«
    »Hier.« Ich zeigte auf meinen Eurohaufen.
    Ohne zu zögern griff er sich ein paar Münzen und warf sie ein.
    Ich sah ihm beim Spielen zu. Nach ein paar Sekunden erklang ein Trauermarsch und Enrico klopfte mit der flachen Hand auf das Gerät, als wolle er ihm eine Ohrfeige geben.
    »Bist von der Polizei?«, fragte er und drehte sich zu mir.
    »Nein«, sagte ich.
    »Warum fragen Sie dann so viel wegen dem Richter? Der ist doch tot.«
    Trotz des Schmuckes gute Ohren. »Ich drehe den ersten Teil der Richter-Saga.«
    »Was?«
    »Mit Tom Cruise«, sagte ich.
    Er sah mich mitleidig an. »Das mit dem Werner waren Sie.«
    »Notwehr«, sagte ich.
    »Ja, sicher.« Enrico grinste. »Der Klaus mit seinem linken Erbenschmäh. Da brauchst natürlich einen Bodyguard.« Er hob seine Kappe und strich sich umständlich die Haare glatt.
    »Hast du ihn gekannt?«
    Er wiegte den Kopf. »Nicht richtig. Hat mir öfter was geborgt. Mit der Sozialhilfe komm ich nämlich nicht weit.« Behutsam setzte er die Kappe wieder auf. »Der Richter Franz war ganz okay. Für einen alten Sack jedenfalls.«
    Die elektronische Melodie fing wieder an. Gut, dass meine Pistole bei Bettina im Safe lag. Ich würde sonst auf die Automaten schießen.
    »Auf das, was Sie den Klaus gefragt haben, weiß ich auch keine Antwort. Aber einmal hat er gesagt, sein Geld bringt ihm die Michaela.«
    »Wer ist die Michaela?«
    Er breitete die Arme aus und zuckte mit den Achseln. »Weiß ich nicht. Zuhälter war er aber sicher keiner.«
    »Wann war das?«
    »Sicher schon ein Jahr her.«
    »Was hat er noch erzählt?«
    »Dass er in der Gegend hier gearbeitet hat. In einer Farbenhandlung. Die gibt’s längst nicht mehr. Und im Anker vorn haben sie sich immer getroffen, seine früheren Kollegen und er. Aber die sind nach und nach gestorben, hat er gesagt.«
    »Hast du ihn einmal in Begleitung gesehen? Frauen?«
    »Immer nur solo. Und ich soll was arbeiten. Eine Lehre machen. Oder eine Schule.«
    »Wahrscheinlich ein guter Tipp«, sagte ich.
    Er lachte. »Geh, Alter! Zu was denn?«
    »Danke, Enrico.« Ich verließ den Automatenraum und ging zur Tür.
    »He, Ihr Geld«, rief er mir nach.
    Ich winkte ab. »Geht aufs Haus«, sagte ich.

    *

    Hinter den schmiedeeisernen Zaunelementen wucherten Hecken, die den großen Garten vor neugierigen Blicken verbargen. Ich wartete vor Elisabeth Mohntalers Tür und betrachtete das Anwesen. Groß und wohlgepflegt, wie die Besitzerin. Das Haus lag zehn Minuten Autofahrt von meiner Wohnung entfernt am Ende einer Sackgasse. Nicht abgelegen, aber dennoch diskret. Mein Auto parkte in der kopfsteingepflasterten Einfahrt neben einem sehr sauberen Audi Cabrio.
    Ich hatte ihre Telefonnummer und Adresse nachgeschlagen und ihr angeboten, die E-Card vorbeizubringen. Ihrem Tonfall nach hatte ich sie zu lange auf meinen Anruf warten lassen. Ich hatte keine klare Vorstellung davon, was ich hier machte. Ein unbewusstes Drängen hatte mich dazu gebracht, mir ihre E-Card unter den Nagel zu reißen.
    Der Türöffner summte. Elisabeth Mohntaler kam mir barfuß entgegen und begrüßte mich herzlich. Sie trug eine dunkelgrüne, enge Jogginghose und einen Sweater mit
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