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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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kümmern und uns stattdessen in irgendeine zugige Ecke der diversen Posthallen setzten, wo wir dann zusätzliche Löcher in die Verteilregale starren durften. Es soll Berichtshefte gegeben haben, da stand nichts anderes als Selbststudium drin – man erkannte die Besitzer dieser Hefte an den dichten Spinnweben, die unter ihren Armen runter baumelten. Nun gut, so bekamen sie schon einmal einen Eindruck ihrer späteren Laufbahn. Schließlich waren sie ja alle auf dem Weg zum Beamten auf Lebenszeit … und diese Zunft brachte bekanntermaßen schon so manchen hervor, der seine Arbeitszeit relativ regungslos verbrachte.
    Es wurde also Montag, Beate und ich standen um acht Uhr vor dem schon erwähnten Betonbau. Ich war schlauer geworden se it der Briefausgaben-Zeit: Vor Achte würde ich nirgends mehr anfangen zu arbeiten. Danke Dieter.
    Wie wir da so standen, m erkten wir, dass wir nicht die Einzigen aus der Klasse waren, die man in den ominösen Briefabgang gesteckt hatte. Denn nach und nach erschienen noch vier weitere Leute aus unserem Jahrgang.
    Die mussten ja richtig viel zu tun haben in diesem Abgangsding da, wenn die so viel hochkarätige Hilfe brauchen konnten. Also gingen wir sehr gespannt und voller Tatendrang Richtung Aufzug, der uns in die fünfte Etage brachte.
    Als sich dessen Tür oben angekommen öffnete, standen wir schlagartig mittendrin im Geschehen: Vor uns wuselte die bekannte Grau-Blau-Fraktion durch den großen Raum mit den vielen Regalen und den komischen Maschinen, die auf den ersten Blick wie eine Kreissäge aussahen, aber Bindemaschinen waren.
    Und mit denen hatten wir kurze Zeit später sehr viel Spaß … zum Bedauern des Briefabgangsabteilungsleiters (nannte man das so?). Den trieben wir mit unserer überaus emsigen, sehr engagierten Arbeit an den Rand des Wahnsinns – und so weit, dass er entnervt den Herrn Silber anrief und ihm sagte, dass er uns am nächsten Tag nicht mehr in seiner Stelle sehen wollte. Herr Silber hatte sofort ein Einsehen und wir kamen früher als geplant in die diversen Postämter an die Schalter – dahin, wo ich hin wollte! Tschaka! Danke Beate, danke ihr anderen – Danke, dass ihr so liebevoll mit diesen Maschinen umgegangen seid!
    Denn dass der Chef vom Abgang so wütend wurde, das lag daran, dass wir innerhalb eines Vormittags sieben seiner zehn Bindemaschinen geschrottet hatten. Sahen wirklich scheiße aus, nachdem wir damit diese Briefbunde verschnürt hatten…
    Im Briefabgang kamen nämlich all die Briefe zusammen, die aus sämtlichen Kästen Düsseldorfs geholt worden waren. Und da wurden sie dann vorsortiert nach Postleitzahlen. Damit diese Packen mit Briefen gleicher Zielorte nun nicht wieder auseinanderfielen und somit die ganze Verteilarbeit für die Katz war, wurden sie zu Bunden zusammen gebunden. Macht Sinn … also Bunde zu binden – egal.
    Jede nfalls gab es zwei Arten, das zu tun: Manuell, in dem man eine meterlange Schnur über Kreuz – so wie bei einem Geschenkpäckchen – um das Bund Briefe legte und die die dann mit so einem Plastikchip verschloss. Das war sehr uncool. Wir mochten diese Methode nicht, wir bevorzugten die Bindemaschinen.
    Die waren der Burner, wie man heute sagen würde! Rubbeldiekatz schnellten da wie von Zauberhand Schnüre aus dem Inneren heraus und legten sich fest um die Briefpäckchen. Wenn man es richtig machte, sah das dann genau so exakt aus wie wenn man es mit dieser Kordel von Hand gemacht hätte.
    Aber wir machten es  nicht richtig…
    Wir hielten lieber diesen Tritthebel, mit dem man die Schnurausgabe startete, mit dem Fuß gedrückt und lachten uns scheckig, wenn nicht nur dieses Briefbund, sondern zusätzlich noch mindestens drei unserer Hände und zwei komplette Unterarme mit eingewickelt waren. Oder wir guckten gebannt zu, wie lange es dauerte, bis sich die Maschine selbst komplett eingeschnürt hatte … was dann der Moment war, in dem sie gar nicht mehr zu gebrauchen war und unsere älteren Kollegen nach der „ MT!!! “ schrien. Das hieß dann Maschinentechnik. Und bedeutete, dass nun, also innerhalb der nächsten vier bis sechs Stunden, zwei Männer im Blaumann angetrabt kamen, die sich unserer Kunstwerke annahmen und sie eventuell innerhalb der gerade begonnenen Arbeitswoche wieder flott kriegten. Vielleicht.
    Der Abteilungschef glaubte wohl nicht daran und ließ uns nur noch eins machen: Den Abgang.

 
     
     
     
     
     
     
     
    "Pap i, wenn du mir Geld gibst, erzähle ich dir, was der Briefträger
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