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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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Kinder“ hinzukritzeln, ohne dass eine zweite Person selbige noch mal nachzählte und auf den Auszahlungsschein „Sachlich und rechnerisch richtig – Geprüft: Kaiser Wilhelm“ schrieb?
    Sollte doch Ursula, genannt Uschi, gucken, ob die vermeintliche Lücke zu ihrem Rausschmiss führt oder tatsächlich das Ei des Kolumbus ist.
    „Gleich kommt ja sicher unser Freund von Samstag wieder.“ sagte ich zu meiner Kollegin. „Den überlass ich dir dann zu Versuchszwecken. Der hatte zwar schon drei Kinder im Schlepptau, aber du kannst ihm ja ein viertes dazu gebären, das macht den Kohl auch nicht mehr fett.“
    Ich hatte es kaum ausgesprochen, da kam die Nylon- Sippe auch schon zur Tür rein spaziert, direkt auf meinen Schalter zu. „Morschn. Nö, wös dun mör denn jötz mitn Begrüßungsgöld? Göhts jetze?“ sprach der sächsische Papa mich gleich an.
    „Klar, alles in Butter, sie bekommen ihr Geld. Die Kollegin am Schalter 4 zahlt es ihnen gern aus.“ Nun war ich gespannt. Erstens, ob Uschi souverän und cool genug ist, die Nummer durch zuziehen, ohne dass die Familie aus Stasi-Land was merkte (man wusste ja nicht, wie weit ebendiese ihre Arme              jetzt, so ganz ohne Grenze, ausfuhr). Und zweitens, ob nicht doch im Auszahlungsablauf auf einmal eine Kleinigkeit auffiel, an der die „Mission Einheitsbonus“ doch noch scheitern würde. Aber Uschi setzte ein Pokerface auf und bat den DDR-Mann um besagten blauen Ausweis. Sie blätterte interessiert mit einem Lächeln darin rum, sah einige Visa für Reisen in diverse Ostblockländer – die Familie war weit herum gekommen … also für ihre Verhältnisse jetzt, Sibirien soll um die Zeit ja entzückende Ecken gehabt haben – und zu guter Letzt knallte sie mit Kawuppdisch den Tagesstempel auf die freie Seite hinter dem Visum für Szebrzenewochz.
    „ Sooo…“, Uschi lächelte immer noch vor sich hin, „ das sind also dann ihre Kinder, ja? Und ihre Gattin, ja?“, und fügte scheinheilig an: „Der Anhang muss bei ihnen in der DDR gar nirgends im Pass vermerkt sein, gell?“
    „Nö nö, dör Söhn unde Töchtör hömm geen eejen Aosweis unde stönd aoch söns nörjens drinne.“
    „Ah okay … joa, reicht ja auch wenn ich das hier auf dem Schein bezeuge, dass da vier Personen von ihrer Familie dabei waren, nicht wahr?“ – Sagte es, zückte vier Hundertmarkscheine aus ihrer Kasse und zählte sie dem erfreuten Familienvater vor. „Machen sie was Schönes damit! Viel Spaß beim shoppen!“ – „Beim wös?“ – Sho … äh – im Intershop oder so.“ – „Haha, ejo. Bis bälde!“ Die Familie zog von dannen, ihre Nylon-Rollis leuchteten noch lange nach.
    Ich musste sofort einen Blick auf den Auszahlungsschein werfen. Uschi hatte es doch tatsächlich geschafft, durch ihr Rumgegrinse und Gequatsche den Mann so abzulenken, dass er nicht mitbekommen hat, dass jenes Formular gar nicht komplett ausgefüllt worden war. Nur den Namen der Familienoberhauptes hatte sie sich notiert, weiter nichts. Den Rest holt sie jetzt erst nach.
    „Zack! Tagesstempel druff! Und jetzt, schau hin: +Ehefrau und 4 Kinder!“ Sprach es, nahm sich einen blauen Schein aus der Kasse und grinste mich triumphierend an.
    „ Hähä!“, sagte ich, „ Denkfehler! Jetzt hast du selbst die Arschkarte und gleich 500 Mark am Hintern! Der Typ hat nämlich nicht unterschrieben, ätsch bätsch!“ Innerlich hatte ich gerade einen Reichparteitag – und es war mir in dem Moment egal, dass man den seit Adolfs Zeiten nicht mehr haben durfte.
    „Herzchen…“, meinte Uschi dann, „lies doch mal die Buchungsanleitung durch. Steht da irgendwas von Unterschreiben?“ Ich schnappte mir das Blatt, das Grothe uns morgens da gelassen hatte. Tatsächlich, unterschreiben musste nur einer von uns, nämlich der, der das Geld auszahlte. Der, der Begrüßungsgeld haben wollte, musste wirklich nur seinen blauen Ausweis zücken, weitere Formalitäten blieben ihm erspart. Man hatte sich also das komplette Wellnesspaket fürs befreite Ost-Volk ausgedacht – als Alt-Bundesbürger konnte man da schon mal neidisch werden, so einfach hatte es hier niemand.
    Also, es war wirklic h so: Wir könnten, wenn wir alle moralischen Bedenken über Bord werfen würden, wahrlich und wahrhaftig reich werden – so denn genügend DDR-Bürger den Weg nach Meerbusch finden sollten.
    Sie fanden. An manchen Tagen standen gleich mehrmals Menschen vor den Schaltern, die auf sächsisch, thüringisch oder sonst wie
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