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Geistersturm

Geistersturm

Titel: Geistersturm
Autoren: Jason Dark
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in ihr Gesicht, dessen Ausdruck beinahe eine animalische Wildheit zeigte. Ihr Zopf flog nach hinten, er stand waagerecht vom Kopf ab, und ich wußte auch, daß sie etwas von mir wollte.
    »Dein Kreuz, John!«
    Ich konnte nicht reden, nur nicken.
    Geraldine nahm es als Antwort hin. Plötzlich schob sie eines ihrer Schwerter unter meine Kleidung. Ich spürte den kalten Stahl auf meiner Haut und wunderte mich darüber, wie perfekt diese Person mit derartigen Waffen umgehen konnte.
    Sie wollte sich das Kreuz holen, als uns plötzlich ein Schlag erwischte.
    Ein Körper prallte aus der Höhe gegen mich. Es war McLean, ein Toter, eine steife Leiche, deren grauenvoller Gesichtsausdruck starr und kalkig wirkte.
    Er rammte mich, ich fiel, der Sturm packte mich wieder, er schleuderte mich hoch, ich hörte einen wütenden Schrei, schloß die Augen, und plötzlich hatte ich wieder Boden unter den Füßen. Ich war so schnell gefallen, daß ich es kaum mitbekommen hatte.
    Boden unter den Füßen?
    Blut, das aus der Erde quoll, seinen Geruch verteilte und zudem aussah wie Dampf?
    Das alles hätte ich spüren müssen, aber ich spürte es nicht. Ich roch etwas anderes, etwas Frisches, wie in voller Blüte Stehendes, und ich hörte in weiter Ferne die Stimme einer gewissen Geraldine Sinclair.
    »Das Tor ist offen. Die Insel hat mich wieder. Für immer. Die Geister werden vergehen. Es gibt keinen Sturm mehr. Sie haben ihren Frieden gefunden.«
    Avalon? Hatte ich richtig gehört? Stand ich nicht mehr auf der Erde von Culloden, sondern auf der Insel der Äpfel, also Avalon?
    Es mußte so sein, denn dieser herrliche Geruch erwischte mich nicht zum erstenmal. Zudem hatte Geraldine Sinclair den Namen der Insel erwähnt. Avalon war zu ihrer Heimat geworden, und dorthin war sie auch zurückgekehrt. Erst als ich mir das bewußt gemacht hatte, konnte ich einigermaßen klar denken und mich auch umschauen.
    Die Geister der Toten waren noch vorhanden. Aber sie hatten sich zu einer einzigen Wolke zusammengeballt, und Geraldine Sinclair stand vor ihr. Sie zerstörte die Wolke durch ihre Schwerthiebe. Sie zerriß in Fetzen, die Frau war die Siegerin, und sie fuhr herum, als auch die letzten Reste zusammengesunken waren.
    Dann war sie plötzlich bei mir. Diesmal lächelte sie. »Ich habe meine Ruhe gefunden. Ich werde hierbleiben, ich brauche nicht mehr zurück. Culloden wird so in der Erinnerung bleiben, wie es sein soll. Ich habe den Frieden endlich stiften können, was mir vor langer Zeit mißlungen ist. Aber manchmal lohnt sich das Warten. Farewell, Geisterjäger, farewell, Sohn des Lichts…«
    Es klang nicht nur wie ein Abschied, es war auch einer. Nur wollte ich ihn nicht hinnehmen. Ich streckte beide Arme aus, um Geraldine zurückzuhalten, aber ich griff ins Leere. Sie hatte sich bereits von mir entfernt, und auch die geheimnisvolle Welt Avalon entfernte sich von mir.
    Es war schon ein seltsames Gefühl, das ich da erlebte. Die Umgebung wandte sich von mir ab, als wäre alles aus meiner Umgebung weggezogen worden. Es ist schwer zu erklären.
    Nur ich blieb stehen. Alles andere verschwand, zugleich auch die Gestalt, die kleiner und kleiner wurde und letztendlich nur mehr die Größe einer Kinderpuppe hatte.
    Ein letztes Winken, dann war es vorbei.
    Geraldine Sinclair hatte die Ehre des Namens wiederhergestellt. Mich ließ sie zurück mit all ihren guten Wünschen.
    »Ja, Geraldine, farewell«, flüsterte ich. Dabei stieg mir die Gänsehaut von den Füßen hoch bis zum Kopf, und erst als mir jemand auf die Schulter tippte, erwachte ich aus diesem Traum.
    Es war Suko, der mich anlächelte. »He, wieder da?«
    »Ja, wieso? War ich weg?«
    »Ich weiß es auch nicht.«
    »Avalon«, murmelte ich, schaute zu Boden und sah die öligen Blutpfützen kaum noch. Sie waren dabei, wieder in den Untergrund von Culloden einzusickern.
    Auch der Himmel zeigte sich in einer wunderbaren Klarheit. Selbst die Wolken hatten sich zurückgezogen, und die Sterne funkelten wie kostbare Diamanten.
    »Du erwähntest Avalon«, sagte Suko leise.
    »Stimmt.«
    »Noch mal, warum?«
    »Ich bin dort gewesen. Für einen winzigen Moment nur. Eine Sekunde, eine Minute, ich weiß es nicht. Aber Geraldine schaffte es, das Tor zu öffnen, und dort ist sie die Siegerin gewesen. Es gibt die Geister nicht mehr, und es wird auch keinen Geistersturm geben. Culloden ist und bleibt Geschichte, Suko.«
    Er nickte. »Deshalb also hast du ausgesehen, als wärst du sternenweit weg und doch so
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