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Geisterschiff Vallona

Titel: Geisterschiff Vallona
Autoren: dtv
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musste verrückt geworden sein. Total verrückt. Andernfalls würde er sich doch nie mit klopfendem Herz in den Nahkampf mit
     Dämonen und Gespenstern begeben! Aber er hatte keine andere Wahl. Er konnte nicht einfach zusehen, wie der Geisterlotse ein
     weiteres Mal geopfert wurde. Er musste etwas tun. Für den Lotsen und die Schwarze Sara. Und für sich selbst.
    Aus irgendeinem Grund war er in diese Sache hineingeraten. Aus irgendeinem Grund konnte nur er dem Lotsen helfen und ihn erlösen.
     Er war auserwählt, ob es ihm nun gefiel oder nicht.
    Vielleicht, weil er nicht aus dieser Gegend stammte, wie Doktor Ekwall gesagt hatte. Vielleicht, weil er von außerhalb kam,
     genau wie der Lotse. Weil er nichts wusste, weil es für ihn keine Rolle spielte, ob das Geheimnis ans Licht kam.
     
    Er hastete auf die Brücke. Die Figur in seiner Tasche brüllte so furchtbar und herzzerreißend, dass Karl fürchtete, sie könnte
     zerspringen. Aber dann begriff er, dass er gar nicht die Figur hörte. Der Schrei kam oben von der Brücke. Es war der eingeschlossene
     Lotse.
    Als Sara ihnen erzählt hatte, was damals beim Untergang der Vallona wirklich geschehen war, war ihm vieles klar geworden und
     Großvaters Überlegungen hatten ihm noch einen weiteren Anhaltspunkt geliefert. Aber das letzte Puzzlestück hatte er bekommen,
     als die Vallona ihr Boot passierte und die Figur in seiner Tasche genau in diesem Moment lauter denn je aufgeschrien hatte.
    Der böse Lotse aus der Spukgeschichte war in Wahrheit der junge Lotse, den die Matrosen zurückgelassen hatten, und er war
     auch der verschwundene Verlobte der Schwarzen Sara. Sie alle waren ein und dieselbe Person, unabhängig von der Geschichte,
     unabhängig von der Zeit. Und jetzt musste Karl ihn befreien.
    Er erreichte die verschlossene Tür auf der Brücke, während das Schiff noch immer seine Wahnsinnsfahrt auf das Riff fortsetzte.
     Karl tastete nach dem Türgriff und hob langsam den Blick zur Glasscheibe.
    Auf der anderen Seite des Fensters sah er einblasses, fast durchsichtiges Gesicht mit brennend roten Augen. Unwillkürlich machte Karl einen Schritt zurück. Im Rücken spürte
     er die rutschige, durchgerostete Reling.
    Der Leuchtturm war jetzt deutlich zu sehen. Es war unmöglich. Die Vallona würde geradewegs auf die Klippen auflaufen und ihn
     mit sich in die Tiefe reißen. Er musste springen. Wenn er jetzt nicht sprang, war er verloren.
    »Hilf mir   …«, flehte die Gestalt hinter der Tür. »Bitte, hilf mir.«
    Noch einmal begegnete Karl dem Blick des Lotsen und jetzt erkannte er die Furcht in seinem Gesicht. Das hier war nicht der
     Teufel, der im Steuerhaus eingesperrt war, das hier war ein furchtbar verängstigter junger Mann, fast noch ein Kind, nicht
     viel älter als er selbst. Karl zögerte. Zu bleiben würde bedeuten, das eigene Leben aufs Spiel zu setzen. Das Boot zu verlassen,
     hieße, genau dasselbe zu tun, wie die, die den Lotsen zum ersten Mal seinem Schicksal ausgeliefert hatten. Dieser Gedanke
     blies alle seine Zweifel fort.
     
    Karl rüttelte am Türgriff, aber nichts tat sich. Er stemmte den Fuß gegen den Türpfosten und zog mit aller Kraft. Nichts.
     Mit erschreckender Geschwindigkeitkam die Felseninsel näher. Es war eine Frage von Sekunden. Und er war auf der falschen Seite der Zeitgrenze. Es war sogar
     zu spät zu springen.
    Der Lotse presste sein Gesicht gegen die Scheibe. Seine weißen, aufgerissenen Augen suchten Karls Blick, aber Karl wagte nicht,
     ihnen zu begegnen. Sein Blick wich flackernd nach achtern aus, suchte nach einem Gegenstand, mit dem er das Glas zerschlagen
     konnte. Aber das, was er dann zu sehen bekam, war noch viel besser. Er sah, wie jemand sein Bein über die Reling schob.
    Sara!
    »Hier!«, schrie sie und warf Karl etwas zu. Das Taschenmesser! Das Taschenmesser mit dem hilflos rotierenden Kompass.
    Karl fing es im Flug. Er öffnete die Klinge und schob sie in den Spalt zwischen Tür und Türstock, er versuchte den Riegel
     des Schlosses anzuheben, aber dieser saß wie festgewachsen. Die Klinge klappte zu.
    Karl musste das Messer wieder herausziehen, die Klinge wieder ausklappen und einen neuen Versuch unternehmen, dieses Mal mit
     der Schneide nach oben. Vor Anstrengung wurden seine Hände weiß, aber die Augen hielt er starrauf das Messer gerichtet, um dem angsterfüllten Blick des Lotsen zu entgehen. Langsam, langsam gab der Riegel ein paar Millimeter
     nach oben nach, aber dann verhakte er sich wieder in dem
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