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Geisterschiff Vallona

Titel: Geisterschiff Vallona
Autoren: dtv
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den Booten kletterten. Mit einem Mal schien sich der Nebel über dem
     Meer zu heben und löste sich auf dem Weg in den Sternenhimmel auf. Kein Sturm kam auf. Und niemand sprach mehr über das, was
     sich in dieser Nacht wirklich ereignet hatte. Aber alle, die dabei gewesen waren, trugen für alle Zeiten den Schrei des Lotsen
     in sich.
    Er hatte sich unfreiwillig für sie alle geopfert. Und für alle Zeiten würden sie von ihm heimgesucht werden. Dass sie den
     Tod des Lotsen hingenommen hatten, um sich selbst zu retten, das wurde ihr gemeinsames Geheimnis. Und die Wahrheit über das,
     was an diesem Abend geschehen war, war so schrecklich, dass es ihnen nicht schwerfiel, darüber zu schweigen.
    Der Eigner der Vallona, der Distriktsarzt, bestellte ein Votivschiff bei seinem Bruder Albert dem Tischler, um Gott dafür
     zu danken, dass siealle überlebt hatten. Aber man sagt, dass Albert seine Arbeit zu gut gemacht hat. Er kannte das Geheimnis, er wusste, was
     wirklich geschehen war, und er wusste, was sein Bruder getan hatte. Und so kann man sein Schiff nicht ansehen, ohne sich an
     den Schrei des Lotsen zu erinnern. Das ist der Grund, warum das Votivschiff nicht draußen in der Kirche hängt.
    Erst viele Jahre später wurde der Leuchtturm vor Krabbsjögrund errichtet. Da sprengte man auch das Riff und die kleineren
     Felsen, die es umgaben.«

Kapitel 14

    Als Sara ihre Erzählung beendet hatte, war der Zauber gebrochen. Sie zuckte zusammen und sah fast so aus, als wäre sie selbst
     verwundert über das, was sie gerade eben berichtet hatte.
    »Ist das wirklich wahr?«, flüsterte Karl. »In der anderen Geschichte war der Schiffsarzt doch ein Held.«
    »Ja, die andere Version habe ich auch schon hundertmal gehört«, sagte Großvater, dem es langsam besser ging.
    Sara schwieg eine lange Zeit.
    »Er war kein gewöhnlicher Schiffsarzt«, sagte sie dann mit ihrer normalen Stimme. »Er war der Distriktsarzt und reich wie
     ein Troll. Außerdem kannte er alle wichtigen Leute in der Stadt. Er war der Onkel meines Opas. Und Albert der Tischler war
     der Vater meines Opas, er bekam den Auftrag, das Votivschiff zu bauen. Ein Schiffsjunge, der selbst gesehen hatte, wie sich
     alleszugetragen hatte, erzählte ihm die wahre Geschichte.«
    »Aber wieso hat Albert der Tischler denn den anderen nichts davon erzählt?«, fragte Karl. »Ihn traf doch gar keine Schuld.«
    »Ja, aber er wollte seine Eltern nicht verletzen, indem er preisgab, was sein Bruder getan hatte. Man sagt, er habe stattdessen
     etwas mit dem Votivschiff gemacht. Etwas, das allen verrät, was wirklich geschehen ist. Deshalb haben sie das Schiff weggehängt
     und jetzt ist es Doktor Ekwall, der die Sakristei bewacht.«
    »Der Lotse wurde also geopfert«, sagte Großvater, als würde er laut vor sich hin denken. »Und der Graue gab sich mit diesem
     Opfer zufrieden. Deshalb hob sich der Nebel und die Stadt wurde verschont. Aber der Lotse selbst hat nie seinen Frieden gefunden.«
    »Kein Wunder, dass er sich rächen will«, murmelte Karl.
    »Ich frage mich, ob er nicht viel lieber frei wäre«, sagte Großvater. »Um in Frieden zu ruhen.«
     
    Karl versuchte zuzuhören, aber es fiel ihm immer schwerer und schwerer, weil die Figur in seiner Tasche wieder angefangen
     hatte zu schreien.Allerdings schienen Sara und Großvater keinen Laut zu hören. Wie war das möglich? Hatte es etwas damit zu tun, dass Karl   … auserwählt war? Dass er derjenige war, auf den die Schwarze Sara und Doktor Ekwall gewartet hatten?
    Karl schob die Hand in die Tasche. Langsam wurde ihm klar, wie wichtig das war, was Sara und Großvater erzählt hatten. Und
     plötzlich erkannte er auch, dass alles tatsächlich zusammenhing. Alle Geschichten, die er gehört hatte, handelten eigentlich
     von ein und derselben Sache. Jetzt
musste
er ihnen erzählen, was in der Sakristei passiert war   … auch wenn sie ihn sicher für verrückt hielten.
    Aber Karl kam nicht mehr dazu, etwas zu sagen. Ein donnerndes Krachen hallte über das Wasser, als würde Metall zwischen den
     Felsblöcken zermalmt werden. Alles dröhnte in Karls Ohren, aber schon bald konnte er Rufe und Schreie ausmachen.
    »Da sind welche auf Grund gelaufen«, rief Großvater und versuchte, auf die Füße zu kommen. »Ohne den Leuchtturm hatten sie
     keine Chance.«
    »Mama!«
    Verzweifelt schrie Karl in den Nebel hinein.
    Denn er wusste, dass sie es sein musste.

Kapitel 15

    Karl zitterte. Großvater legte ihm eine Hand auf die
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