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Geisterschiff Vallona

Titel: Geisterschiff Vallona
Autoren: dtv
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Leuchttürme und die Matrosen rannten kopflos von einer Reling zur anderen in dem Versuch, etwas zu erkennen.
     Einer fiel über Bord und konnte sich nur mit Mühe und Not sowie der Hilfe seiner Kameraden wieder nach oben retten.
    Man muss das alles wissen, um zu verstehen, was dann geschah. Es waren keine schlechten Menschen dort auf der Vallona, aber
     sie waren sehr, sehr verängstigt – und dazu bereit, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um ihre eigene Haut zu retten.
    Endlich kam einem der jüngsten Matrosen eine Idee. Von der Brücke aus führten Stahlseile nach hinten zum Ruder und ganz am
     Ende des Decks befand sich eine Luke für Reparaturen, hinter der die beiden Trosse verliefen. Man öffnetedie Luke, konnte dann die Stahlseile lösen und das Schiff an den Haltevorrichtungen von Hand steuern.
    Die Erleichterung war groß, als die Männer merkten, wie das Schiff seinen alten Kurs aufnahm, aber sie war nicht halb so groß
     wie das Entsetzen, als sie den Schlag gegen den Schiffsrumpf spürten. Erst hörten sie einen gewaltigen Knall, dann ein lang
     gezogenes gequältes Heulen, als Blech und Holz einknickten und zusammengeschoben wurden.
    Ein Felsen? Hier? Diese Route hatten sie doch all die Jahre genommen, ohne dass je etwas passiert war. Aber nun hatte die
     Vallona, wie gesagt, mehr Tiefgang als andere Schiffe und der Fels, den es nicht hätte geben sollen, hatte ein großes Loch
     in ihren Rumpf gerissen. Durch die Ladeluke sahen sie, wie Wasser ins Innere strömte. Und die Stimmen im Grauen sprachen zu
     ihnen, lauter und lauter, näher und näher.
    ›Jetzt kommen wir‹, sagten sie. ›Wartet nur, genau dort, wo ihr seid, dann kommen wir und holen euch.‹
    Aber das hatten die Seemänner nun gar nicht vor. Sie hielten sich mit den Händen die Ohren zu, sprangen ins Wasser und wie
     Wahnsinnige schwammen sie zum Ufer. Die Vallona hielt weiterKurs auf Krabbsjögrund, aber sie war schon verloren.
    Es war wirklich ein heroischer Rettungseinsatz, den die Bewohner der Stadt in dieser Nacht leisteten. In kleinen Booten fuhren
     sie hinaus und zogen jeden einzelnen Seemann lebend aus dem eiskalten Wasser. Ja, jeden einzelnen Seemann. Bis auf einen.
    Der Lotse stand noch immer auf der Brücke. Bei dem Aufprall hatte sich die Tür verklemmt und nun kam er nicht mehr hinaus.
    Während die Besatzung sich ins rettende Wasser stürzte, hämmerte der junge Lotse gegen die Tür. Er schrie um Hilfe, so laut
     er nur konnte.
    Der Kapitän war einer der Letzten, die das Schiff verließen. Er hatte es nicht weit bis hinauf zur Brücke. Vielleicht hätte
     er es schaffen können, den Lotsen zu retten, ehe es zu spät war. Aber er zögerte zu lange. Der Distriktsarzt, der Eigner der
     Vallona, zerrte ihn zur Reling. Ein neuer Kapitän war teuer und schwer zu finden, aber ein Lotse   … nun, der Lotse war schließlich nicht sein Angestellter.
    ›Verlassen Sie das Schiff‹, brüllte der Distriktsarzt. ›Wir können ohnehin nichts mehr für ihn tun.‹
    Trotzdem machte der Kapitän ein paar Schritteauf die Brücke zu, aber der Distriktsarzt hielt ihn mit dem Griff seines Spazierstocks auf.
    ›Verlassen Sie das Schiff, Kapitän. Das ist ein Befehl.‹
    Da verschloss der Kapitän die Augen vor dem Bild des verzweifelten Lotsen oben auf der Brücke.
    Er entschied sich dafür, sich selbst zu retten.
    Eine letzte Handvoll Männer sprang über Bord, während der entsetzte Lotse seine Todesangst hinausschrie. Er wusste, was passieren
     würde. Er wusste, dass das Schiff binnen Kurzem sinken würde. Und er wusste, dass er mit ihm untergehen würde.
     
    Keiner der Matrosen war bereit gewesen, sein Leben für den jungen Lotsen zu riskieren. Er war ja nicht mal einer von ihnen.
     Dass er, was das Fahrwasser betraf, auch noch recht gehabt hatte, machte die Sache nicht besser.
    Der Einzige, der auch nur darüber nachgedacht hatte, der Kapitän, hatte ihn nicht retten dürfen. Was ihn für den Rest seines
     Lebens quälte.
    Während die Männer aus dem kalten Wasser gezogen und mit Booten zum Strand gebracht wurden, an dem sich das ganze Städtchen
     versammelt hatte, ertönte ein furchtbarer Schreiund ein Donnern hallte durch die Nacht. Das Schiff war an den Klippen zerschellt. Dieser Laut, der durch den Nebel über das
     Wasser raste, war unmenschlich und unbeschreiblich, eine Welle aus Angst und Schmerz, die über ihnen allen zusammenschlug.
    Und dann wurde es still.
    Kein Lüftchen rührte sich, als die letzten Männer aus
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