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Geisterschiff Vallona

Titel: Geisterschiff Vallona
Autoren: dtv
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gesetzt hatte. Was musste er auch so neugierig sein? Wäre er doch einfach dort oben
     auf der Orgelempore sitzen geblieben und hätte die Tür winken lassen, so viel sie wollte. Dann wäre nichts von alldem geschehen.
     Vielleicht.
     
    In der Ecke des Lagers hustete das Notstromaggregat und das Brummen verstummte. Schnell breitete sich wieder Dunkelheit im
     Raum aus.
    »Was ist passiert?«, fragte Karl.
    »Wahrscheinlich ist das Benzin alle«, sagte Sara.
    Zum Glück hatte sie die Kerzen auf dem Tisch brennen lassen, mit deren Hilfe Karl gleich noch ein paar mehr suchen und anzünden
     konnte.
    Sara stand auf und ging zu einer der Türen am anderen Ende des Schuppens.
    »Was hast du vor?«, fragte Karl.
    »Ich glaube, ich weiß, wo noch ein Kanister Benzin steht«, antwortete sie.
    Sie verschwand durch die Tür und zog sie hinter sich zu.
     
    Da rührte sich wieder die Holzfigur. Sie klopfte Karl gegen das Bein, als wollte sie seine Aufmerksamkeit wecken. Vorsichtig,
     ganz vorsichtig schob Karl die Hand in die Tasche und zog die Figur heraus. Vor seinen Augen wand sich das kleine Holzstück
     in seinem Griff. Es sah ihn an. Karl starrte zurück.
    »Hilf mir!«, bat die Figur so leise, dass Karl nicht sicher war, ob er richtig gehört hatte. »Hilf mir!«
    Es war wie ein Traum, ein Albtraum, in dem nichts mehr war, wie es sein sollte; in dem alles Mögliche passieren konnte. Und
     in dem alles an Karl zu hängen schien. Nur eine einzige Sache wusste er sicher: Er musste etwas unternehmen, und zwar jetzt!
    Karl schielte in Richtung Tür. Er musste sich beeilen. Sara konnte jeden Moment zurückkommen. Er holte einmal tief Luft, dann
     stand er auf, zog seine Jacke an und verließ das Bootshaus.

Kapitel 10

    Alles war wieder still und dunkel draußen. Karl spähte übers Wasser, aber er konnte Schrott-Janssons Boot nicht entdecken,
     es lag nicht mehr unter der Brücke. Wahrscheinlich war es am Anleger vorbei den Strand hinuntergetrieben. Er brauchte dieses
     Boot wirklich dringend.
    Karl folgte der Wasserkante. Er konnte kaum einen Meter weit sehen und so bewegte er sich langsam und vorsichtig vorwärts,
     Schritt für Schritt.
    Bald ging der Strand in Felsen über. Wenn das Boot auf die Klippen zugetrieben war, konnte er es unmöglich erreichen. Aber
     er wusste, dass es ein Stück weiter, hinter Norrskaten, noch einen Strand gab. War das Boot dort, würde er ganz leicht herankommen.
     Es war zwar vermutlich nicht sehr klug, sich ausgerechnet jetzt auf den Klippen herumzutreiben, aber nun gab es kein Zurück
     mehr.
    Vorsichtig tastete er sich weiter bergauf, in Richtung Norrskaten. In der Ferne konnte Karl kleine Lichtpunkte erahnen, die
     Fenster des Bootshauses. Der Rest der Welt war dunkel und grau. Karl wollte sich lieber nicht ausmalen, was sich um ihn herum
     alles bewegen konnte, allein der Gedanke daran ließ ihm die Haare zu Berge stehen.
    Und just da hörte er die Stimme.
    »Karl   …«, flüsterte sie. »Karl   … hier. Komm her   …«
    Karl sah sich um. Er kannte diese Stimme nicht. Sie war hoch und brüchig und musste einem sehr alten Menschen gehören, aber
     ob es eine Männer- oder Frauenstimme war, konnte er nicht heraushören. Wie angewurzelt blieb er stehen.
    »Ich kann dir helfen, Karl. Und du mir. Lass mich dir helfen.«
    Durch den grauen Nebel näherte sich ein Schatten und kam geradewegs auf ihn zu. Karl zog sich zurück, er versuchte zu fliehen.
     Er ahnte, wer ihn hier im Nebel suchte.
    »Karl, warte! Hüte dich!«
    Im selben Moment rutschte Karl auf dem glatten Fels aus. Vor Angst wurde ihm ganz schlecht und er rechnete damit, jeden Moment
     von der Felskante zu stürzen.
    Eine kalte Hand packte ihn am Arm. Sie war stark und sehnig und half ihm, sein Gleichgewicht wiederzufinden, aber danach ließ
     sie ihn nicht mehr los.
    »Ich habe auf dich gewartet, Karl«, flüsterte die heisere Stimme. »Ich habe schon so furchtbar, furchtbar lange auf einen
     wie dich gewartet. Auf einen von außerhalb.«
    Die Worte waren denen von Doktor Ekwall beängstigend ähnlich. Aber vor ihm stand nicht Doktor Ekwall. Vor ihm stand eine Frau.
     Und auf dem Kopf trug sie einen großen schwarzen Hut.
    Karls Gesicht wurde aschfahl und für einen Augenblick fürchtete er, seine Beine könnten unter ihm nachgeben.
    Die Schwarze Sara.
    »Ja«, fuhr die alte Frau ernst fort. »Du weißt ja, wer ich bin   … Und es gibt etwas, das ich dir erzählen muss. Etwas, das du wissen solltest.«

Die Geschichte der
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