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Geisterschiff Vallona

Titel: Geisterschiff Vallona
Autoren: dtv
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Schwarzen Sara
    »Vor langer, langer Zeit lebte einmal eine schöne junge Frau in Krabbsjögrund. Die junge Frau trug immer Blumen im Haar, sie
     war glücklich und lebte in einem kleinen, aber adretten Häuschen inmitten eines farbenprächtigen Gartens.
    Jeder in Krabbsjögrund mochte sie und liebte ihr helles, klingendes Lachen, das oft zu hören war, wo immer sie sich befand.
    An einem Abend im Herbst begegnete die Frau beim Tanz einem jungen Mann. Seine Familie lebte auf einer der Inseln vor Krabbsjögrund,
     aber er selbst war längere Zeit fort gewesen. Er hatte an der Universität studiert und jetzt war er zurückgekommen, um eine
     Weile auf See zu arbeiten, genau wie sein Vater und Großvater es einst getan hatten.
    Der Mann und die Frau tanzten den ganzen Abend. Sie tanzten, bis das Orchester seine Sachen zusammenpackte, um nach Hause
     zu gehen, dann setzten sie sich auf eine Bank mit Blickaufs Meer und redeten. Stunde um Stunde, versunken in die Augen des anderen, eingehüllt in ihre Stimmen. Dass der Herbstabend
     dunkel und kalt war, das störte sie nicht im Geringsten.
    Noch ehe die Kirchturmuhr zwölf geschlagen hatte, wussten die beiden, dass sie den Menschen gefunden hatten, mit dem sie ihr
     Leben teilen wollten.
    Aber leider musste der Mann schon am nächsten Tag hinaus aufs Meer, doch er versprach ihr, bald zurückzukommen. Dann wollten
     sie heiraten und er würde sie mitnehmen, fort aus Krabbsjögrund – hinaus in die Welt.
     
    Der Mann fuhr und die Frau wartete. Sie machte das kleine Haus noch hübscher und zog neue Pflanzen und Blumen in ihrem Gärtchen.
     Sie bereitete die Hochzeit vor und nähte sich ein einfaches, aber schönes Brautkleid. Dazu wollte sie einen großen Hut tragen,
     über und über mit Blumen geschmückt.
    Aber der Mann ließ auf sich warten. Er kam nicht von seiner Fahrt zurück, wie er versprochen hatte. Die Leute in der Stadt
     versuchten, die junge Frau zu trösten. Sie sagten ihr, dass er sicher bald kommen würde.
    Die junge Frau war überzeugt, dass ihm etwaszugestoßen sein musste – aber alle versicherten ihr, dass er wohl einfach beschlossen hatte, noch ein wenig länger fortzubleiben.
     Vielleicht hatte er auf einem anderen Schiff anheuern können, aber sicher würde er bald wieder auftauchen.
    So vergingen die Tage und wurden zu Wochen und Monaten. Immer öfter zog es die Frau hinauf nach Norrskaten, zu den Klippen
     am Meer. Dort stand sie schweigend im Brautkleid, mit ihrem Hut auf dem Kopf, und weinte des Nachts. Erst kam der Spätherbst,
     dann der Winter – und alles in ihrem Garten verwelkte und starb.
     
    Als der Frühling kam, begann in Krabbsjögrund alles zu sprießen und zu wachsen. Überall trieben die Blüten und Blätter, überall,
     nur nicht im Garten der jungen Frau. Hier waren alle Blumen und Pflanzen noch immer tot.
    Die Menschen in der Stadt fingen an, ihr aus dem Weg zu gehen, man sagte, sie brächte Unglück. Immer noch trug sie ihr Brautkleid,
     aber jetzt war es von Staub und Schmutz schwarz geworden. Man erzählte sich, dass Haustiere starben und Kinder krank wurden,
     wenn sie in die Nähe kam.
    Dann, eines Abends, nahm einer der Fischer die Abkürzung zur Brücke über die Klippen beiNorrskaten, wo die Frau wie gewöhnlich stand und wartete. Als sie den Fischer erblickte, war sie mit einem Mal überzeugt davon,
     dass er ihr verschwundener Geliebter sein musste. Sie rief ihn, lief ihm hinterher, aber der Fischer bekam es mit der Angst
     zu tun.
    ›Verrücktes Weib!‹, schrie er sie an. ›Lass mich in Ruhe!‹
    Aber sie konnte nichts anderes glauben, als dass er ihr Herzallerliebster war, ganz gleich, was er sagte. Sie holte den Fischer
     ein und klammerte sich an sein Bein, damit er nie wieder verschwinden möge. Bettelte und bat, dass er sie wenigstens mitnehmen
     möge.
    ›So lass mich doch in Ruhe!‹, schrie der Fischer und riss sich los. ›Begreifst du nicht, dass er ertrunken ist und niemals
     zurückkommen wird?‹
     
    Seine Worte trafen sie wie ein Keulenschlag. Jäh wurde ihr klar, dass alle sie angelogen hatten. Die ganze Stadt hatte von
     dem Geheimnis gewusst, aber niemand hatte es gewagt, ihr etwas davon zu sagen.
    Verbitterung und ein alles verzehrender Zorn packten sie. Vor Schmerz und Trauer wurde sie wahnsinnig. Sie schrie ihren Kummer
     hinaus,dass der Fischer vor Schreck auf den glatten Steinen ausrutschte. Mit einem entsetzlichen Heulen stürzte er von den Klippen
     hinunter ins Meer, wo man ihn früh am
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