Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Geisterschiff Vallona

Titel: Geisterschiff Vallona
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
erkennen konnten. Karl sah, wie Schrott-Jansson versuchte, mithilfe eines Meißels eine Luke auf der Schmalseite
     des Leuchtturms aufzustemmen. Ursula stand neben ihm und probierte dasselbe von der anderen Seite. Es ging ihnen gut! Offenbar
     hatte sich ihr Boot ganz einfach nur vom Ufer losgerissen.
    »Hallo!«, schrie Karl.
    »Opa!«, rief Sara erleichtert.
    Aber ihre Rufe wurden vom Nebel erstickt und im selben Augenblick wurde ihr Boot von einer kräftigen Strömung erfasst und
     davongetragen, weg von den Steinen und Klippen, hinaus aufs offene Meer. Sara versuchte, mit den Ruderngegenzusteuern, aber es war aussichtslos. Hart schlug ihr Boot gegen die Felsen, Karl hielt die Luft an. Was, wenn sie Leck
     schlugen, was, wenn sie sanken? Niemand würde sie in dem eiskalten Wasser finden. Es ahnte ja nicht einmal jemand, dass man
     nach ihnen suchen musste!
    Am Rande der Untiefen, an der Grenze zum offenen Meer, fauchte das Wasser boshaft. Hatte es eben noch nur aufgebracht gesiedet,
     so kochte es hier. Der Rumpf ihres Bootes schürfte über Steine und Unterwasserschären und die Metallbeschläge der Ruderblätter
     sprühten Funken, als sie gegen die Felsen schlugen.
    »Wenn du übernimmst, mache ich den Motor klar«, sagte Sara. »Wir müssen versuchen, nach Krabbsjögrund zurückzukommen. Vielleicht
     geht es aus der anderen Richtung besser.«
    Das Rudern war anstrengend. Und schwierig. Anders als bei Großvaters kleinem Boot waren die Ruder nicht in den Dollen festgeschraubt,
     sondern lagen lose in den Gabeln. Sie rutschten hin und her, vor und zurück, und es konnte leicht passieren, dass ein Ruder
     plötzlich nur noch in der Luft paddelte, wenn man anzog.
    Die Ruderblätter zitterten bei jedem Schlag im Wasser und immer wieder kam es Karl vor, als versuche das Meer, sie ihm aus
     den Händen zureißen. Immer ferner klangen die Hammerschläge – dann waren sie gar nicht mehr zu hören. Da ließ das Meer plötzlich von ihnen
     ab und das Boot schaukelte wieder träge auf den Wellen.
    »Okay«, sagte Karl und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wirf ihn an.«
    Sara pumpte Benzin in den Motor, griff zum Starten nach dem Seilzug und zog. Karl ahnte zwar nur, was sie tat, aber er konnte
     doch erkennen, wie fest Sara an der Schnur zog – und auch, dass irgendetwas schiefging und sie plötzlich auf ihn zugeflogen
     kam.
    Beim Zusammenprall verlor Karl die Ruder und stürzte ins Vorschiff. Er schnappte nach Luft und blieb eine ganze Weile keuchend
     liegen, ehe er wieder sprechen konnte.
    »Was ist passiert?«, stöhnte er.
    Statt zu antworten, hielt Sara den abgerissenen Seilzug hoch.
    Es dauerte ungefähr eine Sekunde, dann hatten sie beide denselben Gedanken und drehten die Köpfe. Noch wagte Karl zu hoffen,
     aber eigentlich wusste er schon, was sie sehen würden.
    Zwei leere Rudergabeln.

Kapitel 12

    »Was ist denn eigentlich mit deiner Mutter?«, fragte Sara. »Gehört sie wirklich zu diesem Forschertrupp?«
    Sie lagen beide auf dem Rücken, konnten sie ohnehin nicht tun. Sie wussten nicht mehr, wo sie waren, der Motor ließ sich nicht
     starten, und so wie es aussah, schwammen ihre Ruder irgendwo draußen bei Stavskär herum. Es blieb ihnen nichts übrig, als
     abzuwarten.
    Karl hatte einen dicken Kloß im Hals. Er nickte.
    »Und du denkst, dass dein Großvater rausgefahren ist, um ihr am Riff vorbeizuhelfen?«
    Wieder nickte Karl.
    »Aber wir hätten ihm begegnen müssen«, sagte er leise. »Er hätte entweder am Leuchtturm oder genau hier draußen sein müssen.«
    Sie überließen es dem Schweige auszudrücken, was sie beide dachten. Es musste etwas passiert sein.
    Als Sara ihm mitfühlend die Hand auf die Schulter legte, löste sich etwas in Karl. Er hatte so lange Angst gehabt und sich
     Sorgen gemacht, aber jetzt war es, als hätte jemand die Schleusen geöffnet. Tränen liefen ihm die Wangen hinunter und er spürte
     den Salzgeschmack im Mund.
    Es war ihm egal, dass Sara ihn so sah.
    Alles war in diesem Augenblick egal. Es war auch alles so unwirklich: Der Graue, der wie dicker Rauch um sie herumwaberte.
     Das Knarren ihres Plastikbootes, das durch die Stille hallte, die sie wie eine Glocke umgab, hier, mitten auf dem Meer. Das
     ölige Wasser, das ruhig und zäh wie Pech vor ihnen lag.
    Und in seiner Hosentasche steckte eine lebendige Holzfigur.
    Sara sagte nichts. Sie saß nur neben ihm, während er weinte. Es fühlte sich gut an, sie bei sich zu haben.
    »Okay, deine Mutter rettet also
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher