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Geisterschiff Vallona

Titel: Geisterschiff Vallona
Autoren: dtv
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nächsten Morgen fand.
    Im Nachhinein wusste jemand zu berichten, dass das Letzte, was man vom Fischer gesehen hatte, war, wie die Schwarze Sara ihn
     erst zu sich gelockt und dann mit einem Heulen in die Tiefe gestoßen hatte. Und mit dieser Geschichte gaben sich alle zufrieden.
     So wurde aus der Schwarzen Sara die Böse, die Gefährliche. Und vor allem konnte man sich darauf einigen, dass sie verrückt
     war. Nun mussten auch die Bewohner des Städtchens nicht länger über ihre eigene Schuld nachdenken, die sie an Saras Verwirrung
     und Trauer hatten, weil sie alle gelogen und ihr die Wahrheit vorenthalten hatten.
    Denn wer kann schon etwas dafür, dass manche wahnsinnig werden?
     
    Seit diesem Abend wagt sich nach Einbruch der Dunkelheit keiner mehr auf die Klippen am Norrskaten. Denn dann steht die todbringende
     Schwarze Sara dort und wartet auf ihren Liebsten. Jahr für Jahr, Abend für Abend steht sie da und wartet darauf, dass er kommt
     und sie holt.«

Kapitel 11

    »Bring mir meinen Liebsten, Karl. Ich weiß, dass du es kannst. Bring ihn mir, damit wir endlich Frieden finden   …«
    Die Schwarze Sara hob den Kopf und trotz Dunkelheit und Nebel spürte Karl ihren brennenden Blick.
    Obgleich er kaum ihr Gesicht ausmachen konnte, sah er eine Träne auf ihrer faltigen Wange glänzen. Er wusste nicht, ob er
     Angst hatte oder ob ihm die Schwarze Sara einfach nur leidtat. Und was meinte sie damit, dass sie auf einen wie
ihn
gewartet hatte?
    »A-aber wie soll ich denn   …«
    »Karl!«
    Das war Saras Stimme. Seine Sara. Die Sara, die in der richtigen Welt lebte.
    »Karl, wo bist du?«
    Der Ärger in ihrer Stimme war nicht zu überhören, obwohl sie von den Motorengeräuschen,die aus derselben Richtung kamen, beinahe überdeckt wurde.
    »Hier«, rief Karl. »Hier bin ich!«
    Was er hörte, war das Tuckern eines Außenbordmotors und im nächsten Moment tauchte Sara in Schrott-Janssons kleinem gelben
     Plastikboot auf. Sie hatte sich eine altmodische Schwimmweste übergezogen, hergestellt aus großen Korkstücken, die mit Schnüren
     aneinander befestigt waren. Karl kannte diese Sorte Schwimmwesten. Auf dem Foto zu Hause auf dem Kaminsims trug sein Großvater
     genau so eine.
    »Wohin wolltest du?«, fragte Sara.
    »Ich   …«, hob Karl an und drehte sich zur Schwarzen Sara um, aber da war niemand mehr.
    »Was hast du gesagt?«
    Karl schauderte. Er starrte in die Dunkelheit. Das hier war zu viel für ihn. Zu schwer. Zu unbegreiflich.
    »Ach nichts«, sagte er.
    »Warum bist du einfach abgehauen?«, fragte Sara.
    »Ich   … ich wollte nach dem Boot suchen.«
    »In solchen Fällen empfiehlt es sich, erst mal zu überlegen, wie die Strömung verläuft. Das Boot lag am Strand in der anderen
     Richtung.Außerdem wusstest du doch ganz genau, dass ich auch mitfahren wollte?«
    Karl zuckte mit den Schultern, aber ganz tief drinnen freute er sich.
    »Na ja, wie auch immer, ich habe einen Reservekanister mit Benzin und eine Schwimmweste für dich dabei«, sagte Sara. »Du willst
     doch mit, oder?«
    »Die sieht ja lebensgefährlich aus«, sagte Karl. »Also dieses Korkdings, meine ich.«
    Ohne zu antworten, zog Sara die zweite Schwimmweste aus dem Gatt und warf sie Karl zu.
    »Sie wird ihren Zweck schon erfüllen«, sagte sie.
    Karl zog die Weste über den Kopf und knotete sich die kräftigste Schnur um die Taille. Dann kletterte er ins Boot und setzte
     sich neben Sara auf die Ducht.
    »Also hier kannst du echt nicht sitzen«, sagte Sara. »Ab in den Bug mit dir!«
    Am liebsten wäre er zwar auf derselben Ruderbank wie Sara geblieben, aber es leuchtete ihm ein, dass es besser war, sich so
     zu setzen, dass sein Gewicht den Bug nach unten drückte. Ziemlich einsam fühlte er sich da vorne trotzdem.
     
    Noch immer hallte die Geschichte der Schwarzen Sara in seinem Kopf nach. Was, wenn es stimmte? Wenn sie all die Jahre nur
     unglücklich auf ihren Bräutigam gewartet hatte? Wenn sie überhaupt nie jemanden über die Felsenkante gelockt hatte? Aber wie
     sollte er ihr helfen? Selbst wenn ihr Verlobter nicht ertrunken war, so musste er dennoch schon vor langer Zeit gestorben
     sein. Und die Schwarze Sara hatte gesagt, dass sie auf einen wie ihn gewartet hatte. Was meinte sie nur damit? Was war denn
     so besonders an ihm? Hatte es damit zu tun, dass er hier nicht zu Hause war?
    Es war wie ein Netz aus Geheimnissen, von dem er bislang nur einzelne Fäden erkennen konnte. Aber sowohl die Schwarze Sara
     als auch Doktor
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