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Geisterreigen

Geisterreigen

Titel: Geisterreigen
Autoren: Dinah Kayser
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Castle. Selbst aus dieser Entfernung wirkten sie unheimlich und bedrohlich. Nicht einmal der dichte Wald, der zwischen dem Dorf und der Burg lag, minderten diesen Eindruck.
    Die junge Frau hatte bis jetzt nur wenig über ihre Vorfahren gehört, aber ihr Vormund hatte bei seinen Besuchen im Internat hin und wieder erwähnt, wie gefürchtet die Rowlands in früheren Zeiten gewesen waren.
    Diana fiel es schwer, sich das vorzustellen. Auch wenn sie an ihre Eltern nur noch eine schwache Erinnerung hatte, wußte sie doch, daß sie zu den gütigsten Menschen gehört hatten, die sie kannte. Ihr Vormund hatte auch von einem Fluch gesprochen, der über ihrer Familie lag. Er hatte sie beschworen, niemals nach England zurückzukehren, doch sie glaubte nicht an Flüche und dergleichen.
    Aufseufzend strich sie durch ihre rotblonden Haare. Bis vor wenigen Wochen hatte sie angenommen, daß sie keine Verwandten besaß, doch dann hatte sie durch einen Zufall von einem Großonkel erfahren, der auf Rowland Castle bei Alberry lebte. Sie hatte ihm geschrieben und er hatte sie eingeladen, zu ihm nach Cornwall zu kommen. Sie hatte den Sommer bei ihm verbringen wollen.
    Die junge Frau kehrte zu ihrem Wagen zurück. Sie hatte vor zehn Tagen vom Anwalt ihres Großonkels erfahren, daß Lord Rowland Anfang des Monats gestorben war. Er hatte ihr seinen Besitz mit der Auflage hinterlassen, wenigstens ein Jahr auf Rowland Castle zu leben. Sollte sie vor Ablauf dieses Jahres A lberry verlassen, würde Rowland Castle mit seinen Ländereien an eine gemeinnützige Gesellschaft zur Rettung der Natur fallen.
    Diana hatte seit ihres Lebens über genügend Geld verfügt und sie konnte es sich leisten, die Erbschaft auszuschlagen, aber sie wollte herausfinden, was es mit diesem Besitz auf sich hatte. Seit zweihundert Jahren hatten die Töchter der Rowlands nur überlebt, wenn sie im Ausland aufwuchsen und nie nach England zurüc kkehrten. Es mußte eine natürliche Erklärung für dieses Phänomen geben.
    Die junge Frau setzte sich wieder hinter das Steuer ihres W agens. Langsam folgte sie der kurvenreichen Küstenstraße, die oft so nah an den Felsabsturz heranreichte, daß sie einen Anflug von Angst spürte. Die Straße beschrieb einen weiten Bogen. Plötzlich glaubte Diana Kinderstimmen zu hören. Sie kamen von den Klippen. Gleich darauf sah sie im Dämmerlicht einige kleine Mädchen. Dicht beim Felsabsturz hatten sie einen Kreis gebildet und tanzten mit bloßen Füßen im Gras.
    Diana brachte ihren Wagen erneut zum Stehen. Es ging bereits auf neun zu und die Sonne war längst untergegangen. Hoch oben am Himmel stand der Mond. Was taten die Kinder um diese Zeit noch draußen? Und warum sahen sie so seltsam aus? Sie schienen fast durchscheinend. Ihre blonden Haare waren zu festen Zöpfen geflochten, die beim Tanzen auf- und abwippten. Statt Jeans oder kurzen Röckchen trugen sie grobe Kittel, die fast bis zu den Kn öcheln reichten. Drei von ihnen hatten Blumen im Haar.
    Die junge Frau stieg leise aus. Sie kannte das Lied, das die Kinder sangen. Ihre Mutter hatte es ihr oft vorgesungen, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war. Es handelte vom Humpty Dumpty, der auf dem Dach saß, hinunterfiel und auch von zehn Pferden und hundert Männern nicht mehr zu seinem luftigen Sitz hinauf gehoben werden konnte.
    Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht. Sie erinnerte sich, wie sie sich als Kind immer vorgestellt hatte, was die hundert Männer mit ihren Pferden wohl alles anstellten, um Humpty Dampty wieder hochzuheben.
    Diana ging auf die Kinder zu. Sie wollte sie fragen, warum sie um diese Zeit noch nicht zu Hause bei ihren Eltern waren. Sie hatte sie fast erreicht, als eines der kleinen Mädchen stolperte und hinfiel. Bereits im nächsten Moment hob sie die Kleine auf. "Hast du dir weh getan?" fragte sie und strich dem Kind über den blo nden Schopf. "Wie heißt du denn?"
    "Lucy", wisperte das Kind und schenkte ihr ein strahlendes L ächeln.
    "Was für ein hübscher Name", meinte Diana. "Du..."
    Die Kleine wand sich aus ihrem Arm und lief zu den anderen Mädchen, die sich an den Klippenrand zurückgezogen hatten. Sie faßten einander bei den Händen und rannten einen schmalen Pfad zwischen den Felsen zum Wasser hinunter. Von einer Sekunde zur anderen waren sie verschwunden. In der Luft lag nur noch der Klang ihrer Stimmen.
    Diana trat an den Klippenrand und schaute zum Strand. Die Mädchen konnte sie nirgends entdecken. Erst jetzt wurde ihr auch bewußt, wie
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