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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd
Autoren: Ian Whates
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Sicht war. Dass Julia Cirese Philip Kaufman ermordet hatte, lieferte Benson den Vorwand, den er brauchte, um die meisten Reporter aus New Paris hinauszuwerfen, trotz ihrer Proteste. Lediglich eine auf Herz und Nieren geprüfte repräsentative Gruppe durfte bleiben.
    Leyton schien nicht mehr so gefragt zu sein wie früher – zweifellos Bensons Art, seinen Unmut darüber auszudrücken, dass er es nicht geschafft hatte, Cirese lebend zu fangen –, und das ermöglichte es ihm, sich zu verkrümeln. Er hatte fest vor, das Beste aus dieser kostbaren Auszeit zu machen, und weigerte sich, darüber zu spekulieren, was seine Herren und Meister demnächst für ihn in petto hielten. Vorläufig mochte Benson ja mit dieser Byrzaen-Angelegenheit beschäftigt sein, aber das würde nicht lange so bleiben. Er würde sich schon bald erinnern, dass er einen inaktiven EyeGee hatte, den er auf eine Mission schicken konnte.
    Leyton bemerkte das Mädchen gleich bei ihrem Eintreten. Er brütete über einem Drink, während er auf einem Hocker an der hinteren linken Seite der Bar saß und tief in Gedanken versunken schien. Jedenfalls machte er auf einen Betrachter diesen Eindruck. Ihm fehlte nur noch ein Schild auf dem Rücken, auf dem stand »Nicht stören«, dann wäre das Bild komplett gewesen. Doch in Wahrheit legt man alte Gewohnheiten nur schwer ab, und obwohl er tatsächlich ein wenig mit sich und seinen Gedanken allein sein wollte, blickte er trotzdem jedes Mal, wenn die Tür aufging und ein neuer Gast eintrat, in den langen Spiegel hinter dem Tresen. In ihrem Fall schaute er zweimal hin.
    Sie war groß und schlank – eine Figur wie eine Sportlerin, fand er, oder wie eine Tänzerin. Eher das Letztere, nach der Art und Weise, wie sie beim Gehen ihre Hüften bewegte; nicht übertrieben oder besonders ausgeprägt, und dennoch faszinierend – ein scheinbar unbewusster und subtiler Schwung.
    Sie trug ein figurbetontes Kleid, schwarz und von exzellentem Schnitt, das kurz über den Knien endete und mit einem Schlitz versehen war, der Schenkel zeigte, die genauso schön geformt waren wie ihre Waden. Ihre Haut war hell wie frisch gefallener Schnee und ließ den Schluss zu, dass es dort, wo immer sie lebte, nicht viel natürliches Sonnenlicht gab.
    All das registrierte er mit zwei raschen Blicken, ehe er wieder vor sich hinstarrte und sich dem widmete, wozu er hierhergekommen war: Trinken und Grübeln.
    Und trotzdem war er sich ihrer Gegenwart vollkommen bewusst, als sie sich geschmeidig auf einen der Hocker neben ihn setzte. Da das Lokal zu den gehobeneren Kneipen von New Paris gehörte, waren sogar die Barhocker elegante Stücke; vier geschwungene Chromstäbe ragten aus gespreizten Standfüßen empor und endeten oben in verschnörkelten Windungen, die den Sitz trugen. Und was für einen Sitz. Lederimitat, gepolstert mit intelligentem Schaum, der sich dem Körper anpasste, sich ständig umformte, wenn man auf dem Platz herumrutschte oder seine Balance ausglich und selbst auf die geringfügigsten Veränderungen regierte, zum Beispiel wenn man sich vorbeugte, um nach seinem Drink zu greifen.
    Das Mädchen stieß einen überraschten Ruf aus, und Leyton musste unwillkürlich schmunzeln, da er den Grund dafür sehr gut kannte. Ihre Blicke begegneten sich, und sie lächelte zurück.
    »Daran muss man sich erst gewöhnen.«
    Eine liebliche, junge Stimme. Den Akzent konnte er nicht einordnen; die Aussprache war klar und präzise, vielleicht ein bisschen altmodisch.
    »Ich weiß. Es fühlt sich an, als würde einem jemand den Hintern streicheln, nicht wahr?«
    Sie lachte, verdutzt und vielleicht sogar ein bisschen schockiert über seine Direktheit. »Ja, genauso fühlt es sich an.«
    »Darf ich Sie zu einem Drink einladen?« Die Worte entschlüpften ihm automatisch, seine Absicht, den Abend in Einsamkeit zu verbringen und in sich zu gehen, zerbröckelte wie eine Sandburg, die von den Wellen überrollt wird.
    Sie zögerte, als sei sie misstrauisch, doch nur ein, zwei Atemzüge lang, ehe sie lächelnd nickte. »Danke, gern.«
    »Was trinken Sie?«
    Sie schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. »Ich bin gerade erst angekommen. Keine Ahnung, was man hier geboten kriegt, also überraschen Sie mich doch einfach.«
    Er dachte kurz nach, dann bestellte er ihr einen Cocktail, nicht zu bitter, nicht zu süß; das Getränk enthielt hauptsächlich Wodka und den Saft zweier unterschiedlicher Zitrusfrüchte mit einem Schuss Xanashu – ein Likör von
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