Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd
Autoren: Ian Whates
Vom Netzwerk:
damaligen Zeit. Für Philip, der noch nicht einmal das Teenageralter erreicht hatte, wurde diese Frau zum Objekt spontaner Bewunderung. Er fand ihr Gesicht absolut perfekt, ein so betörend hübsches Antlitz hatte er noch nie zuvor gesehen, und deshalb wandte er beträchtliche Mühe auf, um eine Kopie des Bildes zu erhalten, die er viele Jahre lang aufbewahrte.
    Als er ein bisschen älter war, erkannte er in diesem Bild immer noch die Schönheit, an der er sich als Junge nicht hatte sattsehen können, doch er sah auch, dass der Eindruck von Perfektion sowohl durch Tricks als auch durch natürliche Vorzüge entstand. Das Bild war geschickt bearbeitet worden, um alle Fehler und Unvollkommenheiten zu beseitigen, um eine idealisierte Version dieser Frau zu präsentieren. Der ältere Philip fühlte sich getäuscht und betrachtete dieses Bild nun als etwas, das man künstlich verschönert hatte, damit es die Realität aufwertete, was jedoch gleichzeitig eine Abwertung bedeutete.
    Der Park, in dem er Mal/Malcolm traf, wirkte auf ihn genauso. Der Himmel war von einem klaren Blau, die Büsche strotzten vor Blüten, das Gras war grüner, als Gras überhaupt sein durfte, und die Bank, auf der er saß, stellte den Inbegriff einer Parkbank dar, wie sie schöner nicht hätte sein können; und dennoch hatte nichts von alledem Substanz in der stofflichen Welt, die er immer für die »Realität« gehalten hatte. In mancher Hinsicht war es besser als das Echte, das Wahre, und trotzdem reichte es nicht an die Wirklichkeit heran. Bei Weitem nicht.
    Mal/Malcolm tauchte urplötzlich auf. Gerade eben war Philip noch allein, dann wandte er sich um und sah seinen alten Herrn neben sich auf der Bank sitzen.
    Um das Gespräch zu eröffnen, brachte Mal /Malcolm ein Thema zur Sprache, über das Philip/Phil – oder war er jetzt Phil/Philip? – nachgegrübelt hatte, seit er in dieser neuen Existenz aufgewacht war. Am meisten überraschte ihn die Erkenntnis, dass er sich nicht anders fühlte als früher. Es war albern, es so auszudrücken, denn da er keinen physischen Körper mehr besaß und jeder ihm vertraute Sinn entweder verschwunden oder bis zur Unkenntlichkeit verändert war, fühlte er sich natürlich anders. Er konnte Inputs aus hundert verschiedenen Stellen simultan absorbieren und sich die Informationen mit einer Geschwindigkeit zu eigen machen, zu der kein Mensch fähig wäre, und er konnte innerhalb eines Augenblicks von einem Punkt zum nächsten flitzen …
    Doch das alles waren periphere Angelegenheiten, Dinge, die immer am Rande seines »Ichs« vonstattengegangen waren und sich auf seine Interaktionen mit der Welt bezogen anstatt darauf, wer er tatsächlich war; und in seinem innersten Kern, in dem zentralen Punkt, der für seine Selbstwahrnehmung verantwortlich war, fühlte er sich genauso wie immer.
    Selbstverständlich wusste er sehr wohl, dass nicht alles, was sein Wesen, seine Persönlichkeit, ausmachte, hatte gespeichert werden können, dass er eine unvollständige Reproduktion des Mannes darstellte, der Philip Kaufman gewesen war, und er hatte sich sehr bemüht, herauszufinden, was fehlte; er hatte in seinen Erinnerungen geforscht und Vergleiche gezogen, jedoch ohne Ergebnis.
    Ein Entschluss, den er nun fasste, hatte mit der Frage zu tun, für wen er sich hielt: Philip. Er lehnte es ab, sich nur als »Phil« zu betrachten. Gleichzeitig wurde ihm immer mehr bewusst, wie er dadurch anerkannte, dass tatsächlich Malcolm, sein Vater, neben ihm saß.
    »Ist es das, was du erwartet hast?«, fragte Malcolm.
    »Nein«, gab er zu.
    »Mir liegt nichts ferner, als mich jetzt diebisch zu freuen, aber …«
    »Wenn der Satz mit den Worten endet ›Ich hab’s dir ja gleich gesagt‹, dann kannst du dir den Rest sparen.«
    »In Ordnung.«
    Dieses Gespräch verlief keineswegs so, wie Philip es gewohnt war, es glich eher dem niemals verwirklichten Traum von Telepathie; eine Kommunikation von Geist zu Geist in ihrer reinsten Form. Man hörte keine Laute, auf die das sinnvolle Erfassen von Bedeutungen folgte, sondern es war eher eine fast zeitgleiche Assimilation dessen, was Malcolm mitteilen wollte; ein blitzschneller Transfer von Daten. Doch für Philip war das alles neu, und sein Verstand beharrte noch darauf, Dinge in den Termini der physischen Menschen zu interpretieren, deshalb fasste er einen Austausch dieser Art als ein Gespräch auf, das allerdings mit einer unglaublichen Schnelligkeit geführt wurde.
    »Eine Sache bereitet mir noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher