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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd
Autoren: Ian Whates
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sich dem Asteroiden auf diese Weise zu nähern, und er beobachtete, wie sich ein besonders großer Schatten um das hintere Ende des Objekts drehte. Der Schatten stellte eine ungewöhnlich tiefe Grube dar, die keinen natürlichen Ursprung hatte, und sein Kurs musste haargenau stimmen, wenn er sich in die Kaverne einfädeln wollte. Gleichzeitig mit der Kaverne musste sein Schiff an einem bestimmten Punkt eintreffen. Durch ständige Kontrollen vergewisserte er sich, dass sein Timing korrekt war und keiner Nachbesserungen im allerletzten Augenblick bedurfte, derweil er im Kopf binnen Sekundenbruchteilen alle möglichen Berechnungen anstellte.
    Das Schiff glitt spielend in die Öffnung hinein, die nicht einmal doppelt so breit war wie der Rumpf des Fluggeräts. Im Inneren der Höhle fing der Spaß erst richtig an, als er mit dem gesamten Repertoire an Steuerdüsen und Triebwerken herumhantierte und das Schiff mit einer blitzschnellen Abfolge von kurzen, scharfen Manövern mal hierhin, mal dahin schubste; diese Tricks dienten dazu, sich der Rotation des Asteroiden anzugleichen, während er immer tiefer in die Kammer vordrang, die man in den Felsen getrieben hatte. An dieser Stelle war die Kammer beträchtlich breiter als am Eingang, nichtsdestoweniger konnte eine einzige Fehlkalkulation eine Katastrophe nach sich ziehen. Jenner war das einerlei, denn er hatte nicht vor, sich zu verrechnen.
    Gemessen an der Gesamtgröße des Asteroiden war die Kammer klein – der Fels war nicht komplett ausgeschlachtet, sondern nur eingekerbt worden, anstatt ihn gänzlich zu entkernen, hatte man lediglich eine Höhle in die Oberfläche gebohrt – und ihm für seine Größe noch ausreichend Masse übrig gelassen. Jenner steuerte das kleine Schiff in Richtung der hinteren Wand, wo ein Gerüst aus Metallklammern und mechanischen Greifern bereit war, es aufzunehmen. Als er spürte, dass das Schiff in den Andockmechanismus einrastete und sich mit dem Felsen verband, stoppte er die Triebwerke; dabei empfand er weder eine Aufwallung von Triumph noch durchströmte ihn Erleichterung, er war nur zufrieden, dass er seinen Job gut erledigt hatte.
    Als er anfing, die Sicherheitsgurte zu lösen, nahm er verschwommen Bewegungen außerhalb seines Gel-Anzugs wahr: Helfer eilten herbei. Die Konturen der Personen wurden deutlicher, nachdem das Gel abgeflossen war, und er sah drei Assistenten in weißer Montur. Dann koppelte jemand seine Kopfbuchse ab, und die Gestalten gerieten völlig in Vergessenheit, als die Realität mit aller Macht auf ihn einstürmte und sein Bewusstsein sich wieder auf einen zentralen Punkt komprimierte. Es zog sich aus der expandierten Welt zurück wie ein seichtes Gewässer, welches einen Abfluss hinunterrauscht, oder ein zweidimensionales Bild, das sich rasant zusammenfaltet, bis nur noch sein eingeschränktes »Ich« übrig blieb.
    Blinzelnd betrachtete Jenner die Hände, die sich nun ausstreckten, um ihm beim Ablegen der Gurte zu helfen; dann schielte er nach oben auf die vage vertrauten Gesichter, an die er sich gänzlich entsinnen würde – dessen war er sich sicher –, sobald er sein Gleichgewicht halbwegs wiedergewonnen hätte.
    Besonders ein Gesicht schob sich näher an ihn heran, als man ihm den Helm abnahm und den Mechanismus für die Luftzufuhr aus der Nase zog – das einer jungen Frau. Hübsch, mit einem kleinen Mund, einer niedlichen Stupsnase und großen, mandelförmigen Augen – ein wenig blutunterlaufen, als sei sie übermüdet, aber trotzdem wunderschön –, ein Gesicht, das ihm irgendwie orientalisch vorkam.
    Die Kopfschmerzen setzten ein; eine glühende Lanze aus Pein, die tief in seinem Schädel entstand und sich mitten in seine Stirn bohrte.
    Er musste zusammengezuckt sein, denn die junge Frau fragte: »Alles okay?«
    »Ja«, log er automatisch. Der stechende Schmerz war in ein quälendes Pochen übergegangen. Vielleicht war es bloß Wunschdenken, aber dieses Mal schienen die Schmerzen nicht so heftig zu sein wie sonst.
    Gel klebte in gelben Klümpchen an seinem Gesicht, kitzelte seine Wange, wo ein Tropfen herunterperlte, und sein antiseptischer Geschmack verstopfte ihm Mund und Nase. »Es geht mir gut, danke … Lara«, setzte er hinzu, als ihm noch in allerletzter Sekunde ihr Name einfiel.
    Sie lächelte, und erst dann erinnerte er sich, dass er sie liebte.
    Philip Kaufman unterdrückte eine Anwandlung von Neid, als er zusah, wie man dem jungen Piloten, Jenner, beim Aussteigen aus dem Simulator half. Er
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