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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd
Autoren: Ian Whates
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Philips Untugenden gehört, gleichzeitig jedoch machte er sich wenige Illusionen über seine Erscheinung; ein bisschen größer als durchschnittlich, mit einer Figur, die zum Sportlich-Athletischen tendierte, aber keineswegs beeindruckte, und einem Gesicht, dessen Züge zwar angenehm waren, ohne indessen sonderlich attraktiv zu sein. Als »vertrauenswürdig« hatte eine seiner Freundinnen sein Aussehen einmal beschrieben. Er hatte dunkle Augen, dazu passendes dunkelbraunes Haar, das er selbst für seinen Geschmack konservativ kurz trug – diese Gepflogenheit hatte er sich zugelegt, als er die Leitung der Firma übernahm, eine bewusste Geste, mit der er seine Reife betonen und seine Autorität festigen wollte. Er lächelte in den Spiegel, zeigte eine Reihe ebenmäßiger weißer Zähne und testete aus, was die Leute später sehen würden. Der Ausdruck trug dazu bei, ein Gesicht, das mitunter zu kantig erschien, runder wirken zu lassen, und er fand, das Ergebnis sei gar nicht mal so übel. Philip wusste sehr wohl, dass die Kameras ihn mochten, auch wenn sie ihn nie wirklich lieben würden.
    Tatsache war, dass er in jedem der drei Outfits eine gute Figur abgeben würde.
    Er wusste, was er anziehen sollte, welche Garderobe man von ihm erwartete, aber ein gewisser schelmischer Zug in ihm liebäugelte mit dem Tarlken. Immerhin war er der Ehrengast, also konnte er es sich leisten, unkonventionell aufzutreten. Und wenn die Leute schon darauf bestanden, dass er persönlich an diesem grässlichen Event teilnahm, dann sollte es zu seinen eigenen Bedingungen geschehen. Andererseits würde er in dem Tarlken auffallen wie ein bunter Hund, was seine Verlegenheit nur noch steigern musste; und wenn er die Rede verpatzte, wäre die Blamage umso peinlicher.
    Dieses ganze Theater um die passende Bekleidung lief auf eine Verzögerungstaktik hinaus, darüber war er sich völlig im Klaren.
    Trotzdem änderte das nichts an der Tatsache, dass er bald von seinem Platz aufstehen, den Mund öffnen und Menschen enttäuschen würde. Es ließ sich nicht vermeiden. Er konnte niemals hoffen, dieselbe Leistung zu bringen wie sein Rivale, obschon besagter Konkurrent in gewissem Sinne er selbst war. Das Problem bestand darin, dass er all diese berühmten Vorträge und Reden im Grunde gar nicht selbst gehalten hatte. Gewiss, es waren seine eigenen Gedanken, seine eigenen Worte, die aus seinem Mund zu strömen schienen, nur dass sein Partial ihnen Ausdruck verlieh. Schließlich war das der Sinn und Zweck eines Partiais; all das zu tun, wozu das originale organische Individuum entweder keine Zeit oder keine Lust hatte, wie das Öffnen einer Tür, das Entgegennehmen von Anrufen, das Abwimmeln unerwünschter Gäste, Grundlagenforschung via InfoNet. Vorausgesetzt, ein Partial war hoch entwickelt genug, konnte es sogar routinemäßige Interviews geben und Vorträge halten. Sein Partial war dazu imstande. Natürlich war das Partial nicht Philip Kaufman im eigentlichen Sinn, sondern nur eine Reflexion bestimmter Elemente, die den realen Menschen ausmachten.
    Eines ließ sich jedoch nicht leugnen: Man stand immer in Versuchung, an einem Partial herumzubasteln und es hochzufrisiseren, und wenn nur ein ganz kleines bisschen. Denn wenn man schon über die Möglichkeit verfügte, einen Vortrag von einer idealisierten Version seiner selbst halten zu lassen anstatt einer exakten Wiedergabe der fehlerhaften Realität, warum sollte man dieses Mittel nicht nutzen?
    Sämtliche Mankos, die er in sich selbst wahrnahm, waren aus den Elementen von Philip Kaufman getilgt worden, aus denen sich sein Partial zusammensetzte. Es war der perfekte Redner: gewandt, verlor niemals den Faden oder legte eine Pause für ein »äh« ein; jeder Satz wurde in der passenden Stimmlage ausgesprochen, jede Silbe mit dem exakt richtigen Nachdruck betont. Wie konnte sein reales Selbst mit so viel Perfektion konkurrieren?
    Es war lächerlich, aber wahr: Er ließ sich von seinem eigenen Partial in den Schatten stellen.
    Ein unaufdringlicher Ton erklang in seinem Ohr.
    Er seufzte. Ein Anruf war das Letzte, was Philip in diesem Moment brauchte. Aber vielleicht auch nicht; vielleicht war es genau das, was ihm fehlte: etwas, um die knappe Zeit, die ihm noch blieb, auszufüllen, sodass er nach dem Anruf gezwungen war, eine spontane Entscheidung zu treffen, sich in eines der beiden Kleidungsstücke zu werfen und nach unten zur wartenden Limousine zu stürmen. Eine Entscheidung, die er dann den ganzen Weg
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