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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd
Autoren: Ian Whates
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die gewährleistete, dass sich seine Geschwindigkeit exakt dem Tempo der Lady J anpasste, wenn die beiden Raumkreuzer längsseits gingen. Hätte das fremde Schiff weiter in derselben Größenordnung beschleunigt, nachdem Mac die Triebwerke abschaltete, wäre es wesentlich schneller bei ihnen gewesen, dabei jedoch an der Lady J vorbeigeschossen; es hätte also umkehren und einen neuen Andockversuch starten müssen. Sternenschiffe sind gigantische Behemoths, und Kyle wusste, dass man Zeit und einen geschickten Piloten brauchte, um eines zu verlangsamen und dessen Fahrt mit der Geschwindigkeit eines anderen Schiffs zu koordinieren. Während der letzten Phase der Annäherung wäre das Abbremsen wichtiger gewesen als ein Beschleunigen.
    Er stand da mit Mac, Brad, dem schwer fassbaren Navigator und den beiden anderen Mitgliedern der Schiffscrew – Bryant und Sol –, als die Hauptluke zischend aufging und sechs bewaffnete und gepanzerte Gestalten an Bord kamen. Die Panzerung und die Waffen waren von der robusten, schweren Beschaffenheit, wie Kyle sie seit dem Höhepunkt des Krieges nicht mehr gesehen hatte, und das Enterkommando agierte mit klinischer, militärischer Effizienz. Die Leute behielten ihre Helme auf, das heißt, die Visiere blieben verdunkelt, sodass man ihre Gesichter nicht sehen konnte.
    Die Intelligenz der Piraten war beeindruckend, denn im Handumdrehen sortierten sie aus den über sechzig Passagieren diejenigen aus, welche für sie von Interesse waren und welche nicht; am Ende nahmen sie acht Geiseln, drei Frauen und fünf Männer. Sogar Kyle erkannte zwei der ausgewählten, einen Politiker und eine Schauspielerin, und er schätzte, dass diese acht Personen über das größte Vermögen verfügten.
    Doch die Piraten hatten es eindeutig nicht nur auf die Passagiere, sondern auch auf die Lady J selbst abgesehen, denn bis auf die Geiseln scheuchte man alle anderen, einschließlich Kyle und Mac, zu den Rettungsbooten. Mit reichlich Vorräten und einer erstklassigen Ausrüstung versehen, konnte die gesamte Gruppe in diesen Booten mehrere Wochen lang überleben; außerdem befanden sie sich nicht allzu weit von den üblichen Schiffsrouten entfernt, sodass man sie mit Sicherheit viel früher entdecken würde, vor allen Dingen in Anbetracht der leistungsstarken Notsignalgeber, mit denen die Boote ausgestattet waren.
    Einige der Passagiere greinten, ein paar fingen sogar an zu weinen, doch keiner bereitete den Piraten ein nennenswertes Problem. Stattdessen hatten sie der Service-Crew gehörig die Hölle heißgemacht, bevor das Schiff geentert wurde; mit hysterischem Gebaren und Drohungen wurde nicht gegeizt, als wäre die Crew oder irgendetwas, das außerhalb ihres Einflussbereichs lag, schuld an der misslichen Situation.
    Zu guter Letzt, kurz vor dem Einsteigen in die Rettungsboote, meldete sich noch einmal einer der Piraten zu Wort. Mit einer Stimme, die durch den Helm unmoduliert und blechern klang, sagte er: »Wir suchen nach Freiwilligen, die sich unserer Crew anschließen. Hat jemand Interesse?«
    Zu seiner Verwunderung hörte Kyle jemanden antworten: »Ja, ich.« Er staunte noch mehr, als er merkte, dass er selbst derjenige war, der sich gemeldet hatte.
    Philip Kaufman freute sich nicht auf diesen Abend. Er hasste es, in der Öffentlichkeit zu reden, und vermied dies, wann immer nur möglich; es entbehrte nicht der Ironie, wenn man in Betracht zog, dass er ausgerechnet für seine öffentlichen Auftritte berühmt war. Man zollte ihm keinen Respekt wegen seiner Ideen oder seiner Errungenschaften, sondern man bewunderte ihn, wie er darüber sprach. Obwohl es natürlich nicht er selbst war, der diese Reden hielt, und genau darin bestand die Crux des Problems.
    Auf dem Bett lagen drei Outfits zur Auswahl für ihn bereit. Ein traditioneller schwarzer Abendanzug – ein Einteiler mit intelligenten Hosen, deren Beinlinge man mit einem einzigen Gedanken von kniefreien Shorts bis zu voller Länge abändern konnte, je nach Anlass und örtlichen Modetrends; gewissermaßen als Kontrast dazu ein purpurfarbener Tarlken – im Wesentlichen ein Umschlagtuch, das den Togen im antiken Rom nachempfunden war und auf gewissen provinziellen Welten gern bei offiziellen Ereignissen getragen wurde. Der Anzug in der Mitte, die Uniform, war ein Fehlgriff gewesen und stand nicht länger zur Debatte.
    Abermals blickte er in den Spiegel und stellte sich nacheinander in jedem der drei Outfits vor. Falsche Bescheidenheit hatte noch nie zu
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