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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd
Autoren: Ian Whates
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zum Tagungsort bereuen konnte.
    »Wer ist es, Phil?«
    »Dein Vater.«
    O nein, nicht jetzt. Die Ankündigung jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Natürlich handelte es sich nicht um seinen Vater; sein Vater war tot. Es war jedoch typisch für diesen Mann gewesen, sein Partial zu ratifizieren; typisch für seine Arroganz. Er konnte es nicht löschen wie jeder andere normale Mensch oder ihm gestatten, nach einem angemessenen Intervall langsam zu verblassen, nein, nicht der große Malcolm Kaufman. Sobald er bestätigt bekam, dass er im Sterben lag, musste er das Ding aufrüsten, so viel von sich selbst hochladen, wie die moderne Technologie zuließ, damit er in einer virtuellen Form weiterlebte: transhuman. Im Allgemeinen überdauerten solche Geister nur so lange, bis das Geld ausging – ein Partial mit dieser Fülle von Details zu unterhalten, war teuer. Leider war Malcolm Kaufman zum Zeitpunkt seines Todes so vermögend, dass er seinem Sohn einen hübschen Batzen hinterlassen und obendrein sein Partial ein paar Ewigkeiten lang finanzieren konnte.
    Diesen Entschluss würde Philip ihm niemals verzeihen.
    »Ich hatte dir doch untersagt, ihn so zu nennen.« Warum weigerte sich Phil dann derart hartnäckig, seinen Wunsch zu befolgen? Handelte es sich vielleicht um eine Solidaritätsgeste unter Partiais? Er zögerte und war versucht, den Anruf nicht entgegenzunehmen, aber er wusste, dass er den Ärger damit nur auf die lange Bank schob. »Stell ihn durch. Nur ›Audio‹.«
    »Mal, ich bin in Eile.«
    »Ja, ja, ich weiß, der Gügenhall-Vortrag«, erwiderte die Stimme seines Vaters herablassend. »Aber das hier ist wichtig.«
    Der Gügenhall-Vortrag etwa nicht?
    »Sprich.«
    »Du musst auf ›Visuell‹ gehen.«
    Wieder zögerte Philip. Die Stimme seines Vaters zu hören, fiel ihm schon schwer genug; das Gesicht des Mannes zu sehen, wie der von jenseits des Grabes mit ihm sprach, ging über seine Kräfte, deshalb aktivierte er niemals die visuelle Schaltung, wenn Mal ihn anrief.
    »Keine Bange, du kriegst nicht mich zu sehen, sondern etwas anderes.«
    Das war wenigstens ein Vorteil. »Was denn?«
    »Geh auf ›Visuell‹, und du weißt Bescheid.«
    Trotz der flüchtigen Überzeugung, dass er es bereuen würde, tat Philip ihm den Gefallen. Sogleich schwebte das 3D-Bild eines Raumschiffs vor ihm in der Luft.
    »Erkennst du das Schiff?«
    Philip runzelte die Stirn. »Es sieht aus wie …«
    »Es ist das Raumschiff The Noise Within.«
    Na klar. »Das Piratenschiff, um das die Medien in letzter Zeit solchen Rummel veranstalten?«
    »Genau.«
    Dank der ausführlichen Berichterstattung hatte dieses Schiff bereits so etwas wie einen volkstümlichen Status erreicht. Doch obwohl Schriftsteller und die Produzenten populärer Dramen den Leuten etwas anderes weismachen wollten, war Piraterie ein äußerst schwieriges Unterfangen. Einmal abgesehen von den riesigen Weiten des Weltalls gab es praktische Hindernisse, die das Abfangen und Aufbringen eines Schiffs wesentlich komplizierter machten als zu Zeiten des Jolly Roger, der Augenklappen und den schlichten zwei Dimensionen einer gewellten Meeresoberfläche. Und dennoch ließ die The Noise Within den Akt der Piraterie überaus simpel erscheinen; zuerst tauchte sie aus dem Nichts auf, um einen Luxuskreuzer mit Namen The Lady J anzugreifen, danach kehrte sie binnen drei Monaten noch dreimal zurück und erbeutete bei jeder Gelegenheit eine fette Prise. All das war Ambrosia für die Sensationspresse und Reporter, die darauf brannten, den Gaumen einer abgestumpften Öffentlichkeit zu kitzeln, aber wieso interessierte sich Mal dafür?
    »Jetzt schau dir das mal an«, forderte der Geist seines Vaters ihn auf.
    Die The Noise Within war alles andere als pressescheu. Sie gestattete ein oberflächliches Scannen mit einer Unverschämtheit, einer Anmaßung, die dazu angetan war, die Hysterie der Medien nur noch stärker zu befeuern. Anhand der gewonnenen telemetrischen Daten hatte man ein detailliertes Abbild des Schiffs erstellt; man erkannte die äußere Form, die Oberflächenstruktur und die auf der Außenhülle sichtbaren, schlichtweg furchterregenden Waffen.
    Während Philip das vor ihm schwebende Bild betrachtete, begannen einzelne Elemente der Schiffsstruktur zu verblassen, bis sie völlig verschwanden. Das geschah in drei Etappen; Ausbuchtungen, Buckel und Öffnungsschlitze an der Längsseite des Schiffs wurden Schicht für Schicht entfernt, jedes Mal eine schlichtere,
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