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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd
Autoren: Ian Whates
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Gesichtsausdruck –, um sie jemals schön zu finden, oder vielleicht war sie auch niemals attraktiv gewesen, ganz gleich, was man von ihr behauptete.
    »Du hättest sie damals kennen sollen«, hatte einer der Kollegen seines Vaters – jemand, der sie in ihrer Jugend wirklich gekannt hatte – einmal zu ihm gesagt, »ehe sie als Partnerin in die Firma einstieg, als sie noch keine Verantwortung trug, in den Tagen, als sie noch völlig frei von Sorgen war. Sie eroberte die Gesellschaft im Sturm. Es lag nicht nur an ihrem guten Aussehen, weißt du, es war ihr Esprit – die Kraft ihrer dynamischen Persönlichkeit, die ihren Körper beseelte. Sie hatte Charisma, eine ungeheure Ausstrahlung. Großartig, schlichtweg großartig.« Er schloss mit einem sehnsuchtsvollen Unterton und einem Kopfschütteln, wie um beharrliche Erinnerungen zu verscheuchen.
    Trotzdem war Philip alles andere als überzeugt.
    Vom Bildschirm her peilte Catherine ihn an; ihr Mund war missbilligend gespitzt, und diese bissige Mimik lenkte seine Aufmerksamkeit vorübergehend von ihren tief eingefallenen Wangen ab. Sie war nie in Versuchung gewesen, sich einer Verjüngung zu unterziehen, hatte für derlei Mätzchen nur Häme, und stattdessen stellte sie ihr Alter zur Schau, als sei es irgendeine Ehrenmedaille. Einmal hatte sie eine junge, hübsche Reporterin, die sich erdreistet hatte, dieses Thema anzuschneiden, mit zwei Sätzen abgekanzelt: »Ich habe mir dieses Gesicht verdient, und ich werde es behalten. Treffen diese beiden Aussagen auch auf Ihren Job zu?«
    Nachdem Catherine Philip eine Sekunde lang prüfend ins Auge gefasst hatte, begann sie: »Sie berufen eine Konferenz ein. Heute. Persönliche Anwesenheit erforderlich.«
    »Ja«, bestätigte er nur.
    Ihre Augen waren der einzige Zug an ihr, der auf eine strahlende Vergangenheit hindeutete; klar, glänzend und von einem durchdringenden Blau. Ein paar Sekunden lang starrte sie ihn an, als schätze sie seinen Wert, seine Integrität ein. Er musste sich anstrengen, um ihrem Blick standzuhalten.
    »Na schön.« Zum Abschied nickte sie und brach die Verbindung ab.
    Philip blies den Atem aus, den er unbewusst angehalten hatte. Wenigstens war Catherine nicht so plump gewesen, ihn zu fragen, warum er den Aufsichtsrat zusammentrommelte. Eines musste man ihr lassen, sie war intelligent genug, um zu folgern, dass er nicht auf einer persönlichen Anwesenheit beharren würde, wenn er bereit wäre, in aller Offenheit über sein Anliegen zu sprechen.
    Leider verfügten nicht alle Mitglieder des Aufsichtsrates über diesen Scharfsinn.
    »Was zum Teufel hat das Ganze zu bedeuten, Philip?«, polterte David Benn los.
    »Das erfahren Sie bei dem Treffen.«
    »Seien Sie nicht albern. Ich kann nicht einfach alles stehen und liegen lassen, nur weil Sie es von mir verlangen!«
    Aber er tat es dann doch.
    »Und?«, hakte eine vertraute Stimme nach.
    Philip wurde aus seinen Grübeleien gerissen. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass Susan Tan, seine leitende Forschungsassistentin, an ihn herangetreten war.
    »Sieht ziemlich gut aus«, improvisierte er, während er sich wieder auf die Daten vor ihm konzentrierte.
    »Ziemlich gut? Das war fantastisch!«
    »Vielleicht.« Er überflog die Zahlen, suchte nach Fehlern und wurde dann fündig. »Aber ohne den Gel-Anzug hätten diese Annäherungskurve und die Beschleunigung ihn bei einem realen Einsatz getötet.«
    Sie schnaubte durch die Nase. »Ach, hören Sie auf! Genauso könnte man sagen, dass er bei einem realen Einsatz ohne das Schiff im Fast-Vakuum des Weltraums umgekommen wäre. Deshalb bauen wir ja Schiffe und deshalb wurde der Gel-Anzug entwickelt. Sie müssen sich schon was Besseres einfallen lassen.«
    Ja, sie hatte recht, aber diese banale Bemerkung hatte ihm zumindest genug Zeit verschafft, um wichtigere Indikatoren aufzuspüren. »Sehen Sie sich die Stress-Level an«, forderte er sie auf und zeigte auf die relevanten Daten. »Sie haben dahingehend recht, dass diese Vorführung nahezu perfekt war, aber das Manöver dauerte nur wenige Minuten … und dann diese Belastung! Würden wir Jenner ein paar Stunden lang dieser Strapaze aussetzen, geschweige denn ein, zwei Tage, wäre er vermutlich tot.«
    Und darin lag ihre eigentliche Frustration. Egal, welche Drogen sie verabreichten, um es stressfest zu machen, trotz des Gel-Anzugs und der anderen physischen Hilfen, die sie boten, das menschliche Gehirn konnte Überlastungen dieser Art nicht längerfristig ertragen; es
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