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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher
Autoren: J Deaver
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Kriminalisten bevorzugten altmodische Briefumschläge, an denen der Täter lecken muss; der Kleber war eine gute DNS-Quelle. Cooper fügte hinzu, das Fabrikat des Umschlages sei ihm
bekannt; es werde überall im Land verkauft und sei so gut wie nicht zurückverfolgbar.
    Rhyme fuhr näher heran und schaute mit Dance an seiner Seite dabei zu, wie der Techniker eine Taschenuhr und einen Brief herausnahm, der ebenfalls aus einem Computerdrucker stammte. »Die Nachricht ist von ihm«, sagte Cooper.
    Der Umschlag hatte seit höchstens einer Viertelstunde vor der Tür gelegen – der Zeit zwischen Lucy Richters Aufbruch und Dances Ankunft. Sellitto beauftragte die Zentrale, einige Wagen des nahen Zwanzigsten Reviers die Umgebung absuchen zu lassen. Cooper schickte den Kollegen das Bild des Uhrmachers per E-Mail ins Haus.
    Die Taschenuhr tickte und zeigte die korrekte Zeit an. Sie war aus Gold und verfügte auf dem Zifferblatt über mehrere kleine Sichtfenster.
    »Ganz schön schwer«, sagte Cooper. Er setzte sich eine Vergrößerungsbrille auf und nahm die Uhr genauer in Augenschein. »Sieht alt aus und hat Gebrauchsspuren... aber keine persönlichen Gravuren.« Er nahm einen Kamelhaarpinsel und bürstete die Uhr über einem weißen Blatt Papier ab. Danach den Umschlag. Es gab keinerlei Partikel.
    »Hier ist der Brief, Lincoln.« Er legte ihn auf einen Overheadprojektor.
    Lieber Mr. Rhyme,
    wenn Sie diese Zeilen lesen, werde ich bereits abgereist sein. Ich habe inzwischen natürlich erfahren, dass keiner der Teilnehmer der Zeremonie verletzt wurde. Wie ich vermute, haben Sie meinen Plan vorausgesehen. Danach ist mir das Gleiche bei Ihnen geglückt, denn ich habe meinen Besuch in Charlottes Hotel eine Weile aufgeschoben und dadurch rechtzeitig Ihre Beamten entdeckt. Ich nehme an, Sie haben die Tochter der Frau gerettet. Das freut mich sehr. Das Mädchen hat Besseres verdient als dieses Paar.
    Herzlichen Glückwunsch also. Ich dachte, der Plan sei perfekt. Offenbar habe ich mich getäuscht.
    Die Taschenuhr ist eine Breguet. Unter den vielen Uhren, die mir begegnet sind, ist sie mir die Liebste. Sie wurde Anfang des
neunzehnten Jahrhunderts gefertigt und verfügt über eine Zylinderhemmung mit Rubinen, einen ewigen Kalender und einen mechanischen Schutz vor starken Erschütterungen. Ich hoffe, Sie wissen die Anzeige der Mondphase im Hinblick auf unsere kürzlich erlebten Abenteuer zu schätzen. Es gibt auf der Welt nur wenige Uhren wie diese. Ich überreiche sie Ihnen voller Respekt als Geschenk. Niemand hat mich je von der Beendigung eines Auftrags abgehalten; Sie sind der Beste von allen. (Außer mir. Ich würde ja gern sagen, Sie seien so gut wie ich, aber das stimmt nicht ganz. Immerhin haben Sie mich nicht erwischt.) Ziehen Sie die Breguet regelmäßig auf (aber behutsam); sie wird die Zeit bis zu unserem nächsten Zusammentreffen zählen.
    Ein Ratschlag: An Ihrer Stelle würde ich jede einzelne dieser Sekunden genießen.
     
    Der Uhrmacher
    Sellitto verzog das Gesicht.
    »Was ist?«, fragte Rhyme.
    »Du wirst viel stilvoller bedroht als ich, Linc. Meine Täter sagen meistens bloß: ›Ich bring dich um.‹ Und was, zum Teufel, ist das da?« Er wies auf den Brief. »Ein Semikolon? Er droht dir und verwendet ein Semikolon? Echt scharf.«
    Rhyme lachte nicht. Er war noch immer wütend, dass der Mann ihnen entkommen war – und anscheinend nicht daran dachte, sich zur Ruhe zu setzen. »Wenn du keine Lust mehr hast, schlechte Scherze zu machen, Lon, wird dir vielleicht auffallen, dass Grammatik und Satzbau tadellos sind. Das verrät uns etwas über ihn. Er ist gebildet. Eine Privatschule? Eine klassische Ausbildung? Stipendien? Abschiedsredner seines Jahrgangs? Schreib das alles in die Tabelle, Thom.«
    Sellitto ließ sich nicht beirren. »Ein Semikolon, ich fasse es nicht.«
    »Ich hab hier was«, sagte Cooper und blickte von seinem Computer auf. »Das grüne Zeug aus seinem Haus in Brooklyn... ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich um Caulerpa taxifolia handelt. Ein übles Kraut.«
    »Ein was ?«

    »Eine Grünalge, die sich unkontrollierbar ausbreitet und alle möglichen Probleme verursacht. Sie ist in den USA verboten.«
    »Und da sie sich unkontrollierbar ausbreitet, kann man sie vermutlich überall antreffen«, sagte Rhyme mürrisch. »Als Beweis ist sie nutzlos.«
    »Eigentlich nicht«, erklärte Cooper. »Bislang wurde sie nur an der nordamerikanischen Pazifikküste gefunden.«
    »Von Mexiko bis Kanada?«
    »So
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