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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher
Autoren: J Deaver
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würde.
    »Der andere Grund für meinen Besuch ist, dass ich eine Entdeckung gemacht habe. Ich habe mit meinen Nachbarn über den Einbruch gesprochen. Ein Mann, der drei Häuser weiter wohnt, hat mir etwas erzählt. Er sagt, er habe gestern eine Lieferung auf der Rückseite des Gebäudes erhalten und dabei ein Seil bemerkt, das vom Dach hinunter in die Gasse hing. Man kann von dort aus ziemlich einfach auf mein Dach gelangen. Ich dachte mir, dass es sich eventuell um den Fluchtweg des Täters handelt.«

    »Interessant«, sagte Rhyme.
    »Da ist noch etwas. Mein Mann hat sich das Seil angesehen. Bob war zwei Jahre bei den Navy-SEALs und...«
    »Bei der Navy? Und Sie sind bei der Army?«, fragte Pulaski lachend.
    Sie lächelte. »Wir führen hin und wieder einige... interessante Diskussionen. Vor allem während der Football-Saison. Wie dem auch sei, er hat gesagt, der Knoten an dem Seil stamme von einem Fachmann. Das Ding ist ziemlich selten und wird beim Abseilen benutzt. Es heißt Halbmastwurf. Bei uns ist dieser Knoten kaum verbreitet, in Europa schon eher. Der Kerl muss in Übersee Erfahrung als Felskletterer oder Bergsteiger gesammelt haben.«
    »Ah, eine handfeste Information.« Rhyme warf Pulaski einen finsteren Blick zu. »Wie schade, dass das Opfer diese Spur finden musste, meinen Sie nicht auch? Das ist eigentlich unser Job.« Er wandte sich wieder Lucy zu. »Ist das Seil noch da?«
    »Ja.«
    »Gut.« Rhyme nickte. »Bleiben Sie noch eine Weile in der Stadt?«, fragte er dann. »Falls wir den Mann erwischen, wird vielleicht Ihre Aussage vor Gericht benötigt.«
    »Ich kehre bald wieder nach Übersee zurück. Aber für einen Prozess kann ich bestimmt zur Verfügung stehen. Ich könnte Sonderurlaub beantragen.«
    »Wie lange werden Sie dort sein?«
    »Ich habe mich für weitere zwei Jahre verpflichtet.«
    »Allen Ernstes?«, fragte Sellitto.
    »Zuerst wollte ich nicht. Es ist hart da drüben. Aber dann habe ich mich anders entschieden.«
    »Wegen der Bombe bei der Zeremonie?«
    »Nein, kurz davor. Ich habe die Familien und anderen Soldaten dort gesehen und mir gedacht, welch seltsame und unerwartete Wendungen das Leben doch bisweilen nimmt. Aber so ist es nun mal, und man tut etwas Gutes und Wichtiges, und im Grunde fühlt es sich einfach richtig an. So.« Sie zog ihre Jacke an. »Falls Sie mich noch brauchen, ich fahre jetzt nach Hause.«
    Sie verabschiedeten sich, und Thom begleitete Lucy zur Tür.
    »Trag das in sein Profil ein«, wies Rhyme seinen Betreuer an, als dieser zurückkam. »Ein Felskletterer oder Bergsteiger, vermutlich
ausgebildet in Europa.« Er sah Pulaski an. »Jemand von der Spurensicherung soll das Seil einsammeln, das Sie beim ersten Mal übersehen haben...«
    »Genau genommen war nicht ich es, der die Untersuchung...«
    »... und dann besorgen Sie mir einen Kletterexperten. Ich will wissen, wo der Mann trainiert haben könnte. Nehmen Sie sich außerdem das Seil vor. Wo und wann hat er es gekauft?«
    »Jawohl, Sir.«
    Fünfzehn Minuten später klingelte es erneut, und Thom führte Kathryn Dance herein. Die weißen iPod-Ohrhörer baumelten wie immer um ihren Hals, und sie begrüßte alle Anwesenden. In der Hand hielt sie einen großen weißen Umschlag.
    »Hallo«, sagte Pulaski.
    Rhyme hob zum Gruß eine Augenbraue.
    »Ich bin auf dem Weg zum Flughafen und wollte nur kurz auf Wiedersehen sagen«, erklärte Dance. »Das hier lag vor der Tür.«
    Sie gab den Umschlag an Thom weiter.
    Der Betreuer sah ihn sich an. »Ohne Absender.« Er runzelte die Stirn.
    »Wir gehen auf Nummer sicher«, sagte Rhyme. »Der Korb.«
    Sellitto nahm den Umschlag und ging zu einem großen Behälter, der aus geflochtenen Stahlstreifen gefertigt war und von der Machart her einem Weidenkorb ähnelte. Er legte den Umschlag hinein, klappte den Deckel zu und schloss die Verriegelung. Jedes unbekannte Paket wanderte selbstverständlich zunächst in den Bombenkorb, der den Explosionsdruck eines kleinen bis mittleren Sprengsatzes zerstreuen würde. Die darin enthaltenen Sensoren reagierten auf geringste Mengen Nitrate und andere verbreitete Explosivstoffe.
    Der Computer analysierte die Dämpfe, die aus dem Umschlag aufstiegen, und berichtete, es handle sich nicht um eine Bombe.
    Cooper nahm den Umschlag mit Latexhandschuhen heraus und untersuchte ihn. Auf dem per Computerausdruck gefertigten Adressetikett stand lediglich: Lincoln Rhyme .
    »Selbstklebend«, verkündete der Techniker und verzog enttäuscht das Gesicht.
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