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Geheimnisse einer Sommernacht

Geheimnisse einer Sommernacht

Titel: Geheimnisse einer Sommernacht
Autoren: Lisa Kleypas
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dieser schwierigen Situation als Ersten an.
    „Mylord“, begann sie mit Blick auf die Schnitte und Brandwunden in seinem Gesicht, „Sie sehen aus wie der Verlierer bei einer Wirtshausschlägerei.“
    Westcliff kam, nahm ihre Hand, verbeugte sich formvollendet und überraschte Annabelle mit einem ritterlichen Kuss auf ihren Handrücken. „Hätte ich jemals an einer Wirtshausschlägerei teilgenommen, Madam, so hätte ich, dessen können Sie sicher sein, nicht verloren.“
    Die Antwort entlockte Annabelle ein breites Lächeln. Noch vor vierundzwanzig Stunden hatte sie seine arrogante Selbstgefälligkeit verachtet. Und nun erschien sie ihr fast erträglich. Mit einem beruhigenden Händedruck ließ Westcliff ihre Hand wieder los. „Wenn Sie erlauben, Mrs. Hunt, werde ich mich jetzt zurückziehen. Sie haben sicherlich einiges mit Ihrem Mann zu bereden.“
    „Danke, Mylord.“
    Nachdem der Earl die Tür hinter sich geschlossen hatte, näherte sich Annabelle dem Bett. Stirnrunzelnd wandte Simon den Kopf zur Seite. Die Sonne fiel auf sein herbes männliches Profil.
    „Ist dein Bein gebrochen?“, fragte Annabelle mit belegter Stimme.
    Simon schüttelte den Kopf. „Es kommt schon wieder in Ordnung“, sagte er, ohne sie anzuschauen.
    Besorgt wanderte Annabelles Blick über seinen Körper, über die breiten, muskulösen Schultern, über die Brust und seine Arme. Eine dunkle Locke war ihm in die Stirn gefallen. „Simon, warum siehst du mich nicht an?“, fragte sie schließlich leise.
    Er drehte sich um, und der Blick, mit dem er sie maß, war bitterböse, fast feindlich. „Dich ansehen? Erwürgen könnte ich dich.“
    Es wäre naiv gewesen zu fragen, warum. Sie versuchte Ruhe zu bewahren und wartete geduldig auf das, was er noch zu sagen hatte. Simon schluckte ein paar Mal wütend. „Was du gestern getan hast, ist unverzeihlich“, erklärte er, nachdem er sich wieder gefasst hatte.
    Sie blickte ihn erstaunt an. „Wieso?“
    „Als ich dort in der Hölle lag, habe ich dir, wie ich dachte, eine letzte Bitte gestellt. Und du hast sie nicht erfüllt.“
    „Aber wie sich herausgestellt hat, ist es deine letzte Bitte nicht gewesen“, erwiderte Annabelle ruhig. „Du hast überlebt und ich auch, und nun wird alles wieder gut …“
    „Nichts wird wieder gut“, fiel ihr Simon wütend ins Wort. „Für den Rest meines Lebens werde ich mich daran erinnern müssen, wie ich mich dabei gefühlt habe, dass du zusammen mit mir sterben wolltest und dass ich absolut unfähig war, dich davon abzuhalten.“ Er blickte wieder zur Seite, da die Emotionen ihn zu überwältigen drohten.
    Annabelle streckte die Hand aus und wollte ihn beruhigen, doch dann hielt sie sich zurück. „Wie konntest du von mir verlangen, dich dort liegen zu lassen, allein und verletzt? Das konnte ich doch nicht.“
    „Du hättest mir gehorchen sollen.“
    Annabelle verzog keine Miene. Sie verstand die Furcht, aus der seine Wut entsprang. „Du hättest mich auch nicht auf dem Boden der Gießerei liegen lassen …“
    „Dass dieses Argument kommt, habe ich gewusst“, unterbrach er sie erbost. „Natürlich hätte ich dich nicht liegen lassen. Ich bin dein Mann. Ein Mann hat seine Frau zu beschützen.“
    „Und seine Frau hat seine Gefährtin zu sein.“
    „Du hast mir nicht geholfen“, fuhr er sie an. „Durch die Hölle gegangen bin ich deinetwegen. Verdammt, Annabelle, warum hast du mir nicht gehorcht?“
    Sie holte tief Luft. „Weil ich dich liebe.“
    Simon blickte nicht auf. Die Hand, die auf der Bettdecke lag, ballte sich zur Faust. Aber ihr leises Geständnis berührte ihn, und sein innerer Schutzwall begann sichtlich zu bröckeln. „Für dich würde ich tausend Tode sterben“, gestand er mit unsicherer Stimme. „Und du wolltest völlig sinnlos dein Leben opfern. Das ist mehr, als ich ertragen kann.“
    Tränen standen Annabelle in den Augen, als sie ihn anblickte. Ihr Körper schmerzte vor Verlangen und grenzenloser Liebe. „Als ich da draußen vor der brennenden Gießerei stand und wusste, dass du da drinnen warst, da habe ich etwas begriffen“, sagte sie mit belegter Stimme und musste ein paar Mal schlucken, bevor sie weitersprechen konnte. „Simon, ich wollte lieber in deinen Armen sterben, als einem Leben ohne dich entgegenzusehen. Endlose Jahre, viele Winter und Sommer, unzählige Frühjahre, die ich mit dir erleben wollte und hätte es nicht gekonnt. Während ich alt geworden wäre, wärst du in meiner Erinnerung ewig jung
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