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Geheimnisse einer Sommernacht

Geheimnisse einer Sommernacht

Titel: Geheimnisse einer Sommernacht
Autoren: Lisa Kleypas
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Seine Zähne strahlten weiß im rauchgeschwärzten Gesicht.
    Vorsichtig half er ihr, sich aufzusetzen, und knöpfte ihr das am Rücken geöffnete Kleid gekonnt wieder zu. Die Gießerei war völlig zerstört. „Nur zwei Männer sind umgekommen. Eine Person ist noch vermisst“, murmelte er.
    „Ein wahres Wunder, wenn man das Ausmaß dieser Katastrophe sieht.“
    „Ist das nun das Ende der Lokomotivfabrik?“
    „Nein, ich glaube, wir werden sie so schnell wie möglich wieder aufbauen.“ Warmherzig sah der Earl sie an, er bemerkte ihre Erschöpfung. „Später können Sie mir vielleicht erzählen, was passiert ist. Aber nun erlauben Sie mir, dass ich Sie zur Kutsche bringe.“
    Er stand auf und nahm sie auf den Arm. „Oh, das ist nicht nötig“, stöhnte Annabelle leicht abwehrend.
    „Das ist das Wenigste, was ich tun kann“, meinte Westcliff beruhigend und schenkte ihr eins seiner seltenen Lächeln, während er sie mühelos im Arm hielt. „Ich glaube, ich habe bei Ihnen etwas gutzumachen.“
    „Weil Sie nun glauben, dass ich Simon wirklich liebe und ihn nicht nur wegen seines Geldes geheiratet habe?“
    „So könnte man es sagen. Ich glaube, ich habe mich in Ihnen getäuscht, Mrs. Hunt. Ich bitte Sie ergebenst um Verzeihung.“
    Da Annabelle annahm, dass Westcliff sich selten entschuldigte und schon gar nicht in dieser fast demütigen Form, legte sie den Arm um seinen Nacken und sagte widerstrebend: „Da Sie uns das Leben gerettet haben, muss ich das ja wohl tun.“
    Während der Arzt Simon im großen Schlafzimmer von Marsden Terrace behandelte, versorgte Westcliff die Wunde an Annabelles Oberarm. Zunächst zog er den Metallsplitter heraus, der tief in der Haut saß. Annabelle schrie vor Schmerz, als er die Wunde mit Alkohol reinigte und anschließend eine Salbe auf den Schnitt tupfte. Dann legte er ihr gekonnt einen Verband an und reichte ihr anschließend ein Glas Brandy, um den Schmerz zu betäuben. Ob er etwas in den Brandy getan hatte, oder ob lediglich ihre Erschöpfung seine Wirkung verstärkte, Annabelle sollte es niemals erfahren. Nachdem sie zwei Fingerbreit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit zu sich genommen hatte, fühlte sie sich heiter und beschwipst. Mit leichtem Lallen erklärte sie Westcliff, die Welt könne glücklich sein, dass er keinen medizinischen Beruf ergriffen habe. Und er log wohl nicht, als er ihr ernsthaft zustimmte. Angetrunken wollte sie davontaumeln, um Simon zu suchen. Doch die Haushälterin und zwei Hausmädchen hielten sie zurück.
    Bevor Annabelle wusste, wie ihr geschah, hatte man sie gebadet, ihr ein frisches Nachthemd aus dem Schrank von Westcliffs Mutter übergestreift, und sobald sie in dem sauberen, weichen Bett lag, fielen ihr die Augen zu, und sie sank in einen tiefen traumlosen Schlaf.
    Erst spät am Morgen des nächsten Tages wachte sie auf. Zunächst wusste sie nicht recht, weshalb sie in einem fremden Bett lag. Doch dann fiel ihr Simon ein. Hastig sprang sie auf und rannte ohne einen Blick auf die hübsche Umgebung im Nachthemd und barfuß auf den Korridor. Als Erstes lief sie einem Hausmädchen über den Weg, das beim Anblick dieser Frau mit den zerzausten, offenen Haaren, dem zerkratzten, geröteten Gesicht in einem viel zu großen Nachthemd leicht erschrocken zurückwich …, dieser Frau, die trotz der gründlichen Reinigung am Abend zuvor immer noch einen starken Geruch von Rauch um sich verbreitete.
    „Wo ist er?“, fragte Annabelle.
    Glücklicherweise verstand das Mädchen Annabelles barsche Frage und führte sie sofort zum Schlafzimmer am Ende des Korridors.
    Durch die offene Tür sah Annabelle als erstes Westcliff. Er stand neben dem riesigen Bett, in dem Simon mit nacktem Oberkörper gegen einen Stapel schneeweißer Kissen gelehnt saß. Das Leinentuch bedeckte nur seine Beine und den Bauch. Annabelle stöhnte leise, als sie die vielen Pflaster auf seiner Brust und seinen Armen sah.
    Sie konnte sich gut vorstellen, wie er beim Entfernen all dieser Metallsplitter gelitten haben musste.
    Die beiden Männer unterbrachen ihr Gespräch, sobald sie Annabelles gewahr wurden. Simon sah sie durchdringend an. Ein unsichtbarer Gefühlsschwall durchwogte den Raum und setzte Simon und Annabelle in akute Spannung.
    Annabelle fand keine passenden Worte, als sie in sein granithartes Gesicht starrte. Was auch immer sie in diesem Moment sagen konnte, musste kindisch überzogen oder belanglos klingen. Aber zum Glück stand da auch Westcliff, und so redete sie ihn in
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