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Geheimnis des Verlangens

Geheimnis des Verlangens

Titel: Geheimnis des Verlangens
Autoren: Johanna Lindsey
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eigentlich Tanya zugedacht waren. Tatsächlich war es dann auch einer dieser Schläge gewesen, der sie getötet hatte. Dobbs aber war noch einmal davongekommen. Sie war seine Frau, also begnügten sich die Leute mit dem, was er ihnen erzählte, und glaubten seine Geschichte, ihr Tod sei ein Unfall gewesen.
    Was ein Mann seiner Frau ungestraft antun durfte — daran mochte Tanya nicht einmal denken. Und nicht zum ersten mal hatte sie sich damals geschworen, dass kein Mann sie jemals zu seiner Sklavin machen würde. Sie wusste genau, wie sie dies verhindern konnte: Sie würde einfach niemals heiraten. Eines hatte sie nämlich aus dem Zusammenleben mit Dobbs gelernt: Die wenigen Rechte, die sie besaß, waren unendlich kostbar, und um nichts in der Welt würde sie diese Rechte jemals preisgeben. Sie wünschte nur, sie hätte schon früher davon gewusst , hätte gewusst , dass sie gehen konnte, wann immer es ihr beliebte, ohne fürchten zu müssen, dass man sie wie einen entlaufenen Sklaven früher oder später wieder einfinge. Erst eines der Barmädchen musste sie darauf stoßen, nachdem es einmal beobachtet hatte, wie Dobbs mit seinem Stock auf sie losgegangen war. Das Mädchen hatte Tanya später gefragt, warum sie eigentlich bei ihm bliebe.
    Und wirklich hatte Tanya anschließend damit gedroht, ihn zu verlassen. Sie musste damals volle achtzehn Jahre alt gewesen sein, oder wenigstens beinahe so alt, und sie hätte ohne weiteres in einer anderen Taverne Arbeit finden können, da sie alles wusste , was man über diese Arbeit nur wissen konnte. Damals hatte Dobbs sie auch zum erstenmal mit der Haremstaverne geködert. Aber das vage Versprechen, ihr die Taverne zu vermachen, war alles gewesen, was sie hatte — bis er krank wurde. Diese Gelegenheit hatte sie ergriffen und ihn dazu gebracht, ihr sein Versprechen schriftlich zu geben. Seitdem verbarg sie jenes kostbare Stück Papier unter einer losen Diele in ihrem Zimmer.
    Jetzt konnte sie in der Taverne schalten und walten, wie sie wollte. Die Schenke mochte alle ihre Kräfte verzehren und ihr pausenlos Kopfschmerzen bereiten, aber sie verkörperte Unabhängigkeit, Frieden und uneingeschränkte Macht — oder würde es jedenfalls bald tun. All das hatte sie früher nicht besessen, und jetzt sehnte sie sich leidenschaftlich danach. Um es bald endgültig auskosten zu können, musste sie lediglich Dobbs versorgen — für die kurze Zeit, die ihm noch blieb —, und das hatte sie schließlich ihr ganzes Leben lang getan.
    Tanya machte sich so bald wie möglich wieder an die Arbeit, denn sie hatte nicht übertrieben. Der Tag war nie lang genug, um alles zu schaffen, was von ihr verlangt wurde. Wenn es ans Putzen ging, waren ihre drei Helfer absolut keine Hilfe. Dobbs wollte ihnen keine Überstunden bezahlen, da er Tanya ja umsonst hatte. Daher gingen die anderen nach Hause, sobald die Taverne schloss , selbst wenn es in der Schankstube aussah wie nach einem Hurrikan.
    Meistens herrschte eine widerliche Unordnung, die Krüge standen noch auf den Tischen inmitten von Pfützen von verschüttetem Bier, Stühle waren umgekippt, manche sogar zerbrochen, und auf dem Holzfußboden mischten sich Speichel und Zigarrenstumpen. Tanya kümmerte sich normalerweise um all diese Dinge, bevor sie zu Bett ging, aber am letzten Abend hatte es einen Kampf um Aggie, das derzeitige Barmädchen, gegeben. Der Sohn eines hiesigen Plantagenbesitzers und ein Seemann von der Lorelei, die erst am Morgen zuvor im Hafen festgemacht hatte, waren ihretwegen aneinandergeraten. Normalerweise regelte Dobbs solche Streitigkeiten — mit einer Keule in der einen und einer Pistole in der anderen Hand. Jetzt war Tanya auf Jeremiah angewiesen, der hinter der Theke stand. Aber obwohl Jeremiah die notwendige Größe hatte, um zwei betrunkene Gäste einzuschüchtern, fehlte ihm leider der Mumm dazu.
    Es war nicht das erste Mal, dass Tanya zwei Streithähne auseinanderbringen musste , seit sie die Taverne führte. Es war auch nichts besonderes, dass sie sich ein paar blaue Flecken holte, bevor die Raufbolde begriffen, dass sie sich in ihren Kampf eingemischt hatte, aber letzte Nacht war das etwas anderes gewesen, denn sie hatte sich vor lauter Müdigkeit hundeelend gefühlt. Deshalb hatte sie auch so lange gezögert, überhaupt einzuschreiten.
    Für gewöhnlich zog sie keinerlei Aufmerksamkeit auf sich, denn sie hatte bereits in jungen Jahren gelernt, ihre ebenmäßigen, zarten Gesichtszüge hinter Härte und
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