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Geheimnis des Feuers

Geheimnis des Feuers

Titel: Geheimnis des Feuers
Autoren: Henning Mankell
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auf eine Kiste, damit ihn jeder sehen konnte.
    Dann erzählte er von den Minen.
    »Wenn ihr zu den Äckern geht oder zum Fluss, dürft ihr nur die ausgetretenen Pfade benutzen«, sagte er. »Dort seid ihr sicher. Nehmt keine Abkürzungen. Überall sind Minen vergraben. Wir wissen nicht, wo sie sind. Wir wissen nur, dass sie da sind.« »Was ist eine Mine?«, fragte Maria. Sofia zischte, sie solle still sein. »Ich weiß es nicht«, flüsterte sie. »Red nicht so viel. Hör lieber zu.« »Minen sind Bomben, die man in der Erde vergraben hat«, fuhr José-Maria fort. »Man kann sie nicht sehen. Tritt man mit dem Fuß auf die Erde darüber, dann explodiert die Mine. Ein Bein kann abgerissen werden. Man kann blind werden. Man kann sogar sterben. Benutzt nur die Pfade.
    Nehmt niemals Abkürzungen, wie eilig ihr es auch haben mögt.«
    Dann fragte er, ob sie es verstanden hätten. Alle nickten. Sie würden nur die Pfade benutzen. Sie würden keine Abkürzungen nehmen, wie eilig sie es auch haben mochten.
    Auf dem Heimweg fuhr Lydia fort sie zu ermahnen. Sofia war es, als ob Monster in der Erde vergraben wären, die dort warteten und auf sie lauerten. Dann dachte sie, es wären Krokodile. Erdkrokodile, die nur darauf warteten, ihre Zähne in ihr Bein zu schlagen. Lydia ermahnte sie. Dann ermahnte Maria Sofia. Und Sofia ermahnte Alfredo.
    Immer auf den Pfaden bleiben. Niemals Abkürzungen nehmen.
    Am Abend, als sie ihren Maisbrei gegessen hatten, sah Sofia, dass es Vollmond war. Ihr fiel ein, dass Vollmond gewesen war, als sie ins Dorf gekommen waren. Sie wohnten schon einen Monat hier. Sie wusste nicht genau, was ein Monat war. Ein Monat war länger als ein Tag und länger als eine Woche. Aber es war weniger als ein Jahr.
    Wie viele Vollmonde es her war, seit sie aus dem Dorf fortgezogen waren, in dem Hapakatanda, Muazena und alle Hunde tot lagen, wusste sie nicht.
    Die Zeit war etwas Merkwürdiges. Es gab sie und es gab sie nicht.
    Die Tage waren lang. Häufig schliefen Maria und Sofia ein, sobald sie abends gegessen und Lydia geholfen hatten aufzuräumen. Sie standen bei Sonnenaufgang auf. Dann war Lydia schon zu den Äckern gegangen. Sie zogen Alfredo an, gaben ihm ein wenig zu essen von dem, was vom letzten Abend übrig geblieben war. Dann fegte Sofia in der Hütte und draußen, während Maria Alfrede zu einer Frau brachte, die am anderen Ende des Dorfes wohnte.
    Sie war zu alt um zu arbeiten. Aber sie kümmerte sich um Alfredo, bis Lydia am Nachmittag nach Hause kam.
    Wenn Maria Alfredo abgeliefert hatte, liefen sie zu den Äckern. Dort jäteten sie Unkraut und hackten, bis die Sonne mitten am Himmel stand. Sie aßen von dem, was Lydia und die anderen Frauen vorbereitet hatten. Dann liefen sie zum Fluss und wuschen sich, ehe es Zeit war aufzubrechen, damit sie nicht zu spät zur Schule kamen. Sie achteten genau darauf, dass sie immer auf dem Pfad blieben, und sie liefen, so schnell sie konnten. Wie sehr sie sich auch anstrengten, nie kam eine vor der anderen an. Sofia lief am schnellsten. Aber Maria war ausdauernder.
    Die Tage waren lang. Aber manchmal flüsterten sie noch miteinander drinnen in der Hütte, wenn Lydia und Alfredo schon eingeschlafen waren.
    Eines Abends, als sie dalagen, die Gesichter nah beieinander, fragte Maria, ob Sofia sich noch an ihr weißes Kleid erinnere.
    Sofia konnte sich sehr gut erinnern. Das weiße Kleid, das Papa Hapakatanda einmal mitgebracht hatte, als er in der Stadt gewesen war, die in der Nähe ihres Dorfes lag. Das Geld hatte nur für ein Kleid gereicht. Aber er hatte Sofia versprochen, dass sie auch eins bekommen würde, wenn er das nächste Mal Geld oder etwas zum Tauschen hatte.
    Das Kleid war dort geblieben in jener Nacht, als sich die Banditen angeschlichen hatten.
    »Manchmal träume ich, dass ich morgens aufwache und das Kleid ist hier«, flüsterte Maria. »Es ist wahrscheinlich verbrannt«, antwortete Sofia. »Aber wenn ich einmal Geld habe, werde ich dir ein neues kaufen.«
    »Woher solltest du Geld bekommen?«, fragte Maria. »Wo nicht mal Lydia Geld hat. Vergiss nicht, dass wir arm sind.«
    »Vielleicht fällt mir etwas ein, wie ich darankomme«, sagte Sofia.
    »Bestimmt nicht«, sagte Maria. »Ich verspreche es dir«, sagte Sofia. Nachdem Maria eingeschlafen war, dachte Sofia über das nach, was Maria gesagt hatte. Wie könnte es ihr gelingen Maria ein neues Kleid zu beschaffen? Sie hatte es versprochen. Maria würde ihr Versprechen nicht vergessen. Sofia wusste, dass
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