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Geheimes Verlangen

Geheimes Verlangen

Titel: Geheimes Verlangen
Autoren: C Redfern
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hervorzuzaubern, andere zu überzeugen; etwas zu kreieren, das Realität werden könnte.
    Um vier Uhr früh steht sie auf und schreibt ihm, reiht Wort an Wort.

WIR HABEN SCHON EINE GEMEINSAME GESCHICHTE, schreibt sie, werden immer eine haben, und in der Geschichte geht es immer nur um ihn. Alles kreist nur um ihn …
     
    Sie hat zu ihm gesagt: keine Fesseln, als ob sie nicht wüsste, dass die ganze Welt von Fesseln zusammengehalten wird, dass alles an einem seidenen Faden hängt. Und wenn man nur kräftig genug an dieser Fessel, diesem Faden zieht, durchschneidet er das Fleisch – bis auf den Knochen. Natürlich weiß sie genau, wie unmöglich es ist, grässliche Knoten zu vermeiden, trotzdem ist sie wild entschlossen. Sobald er sagt, dass es aus ist, zieht sie sich zurück. Sie kann ihm nicht verübeln, dass er die Ordnung der Dinge – seines Lebens – nicht gefährden möchte. Es steht ihr nicht zu, von ihm zu verlangen, dass er all das aufs Spiel setzt, was den Sinn und die Erfüllung seines Daseins ausmacht. Und sie gelobt, hinterher niemals von jenem schrecklichen, grausamen Todessturz zu sprechen, der unvermeidlich ist, wenn eines Tages das Band gekappt wird.
    Jener Tag – der letzte Tag – ist immer schon da: wie ein Aschewirbel irgendwo tief unter ihnen. Jeder Tag verlangt von ihnen, dass sie jeden einzelnen Schritt sorgsam bedenken. Sie sind wie Diamantenschleifer: behutsam, unendlich sorgfältig, grenzenlos sensibel für die Form, die sie Schicht um Schicht freilegen. Aber natürlich gibt es auch Phasen einer schier lächerlichen Ausgelassenheit, Tage, an denen er Handstand macht, an denen sie einfach losrennt, an denen sie sich – etwa an einem Weihnachtsmorgen – wie sechsjährige Kinder aufführen und plötzlich wissen, was es heißt, Flügel zu haben. Er überlegt schon, ob er vielleicht süchtig werden könnte nach diesen Erlebnissen. Er liebt sie ja nicht – hat nichts als Verachtung für all das Gerede von der Liebe auf den ersten Blick übrig, von der Liebe für einen fast unbekannten Menschen; es muss doch im Leben so etwas wie Berechenbarkeit geben, die Dinge wollen verdient sein – und dennoch liebt er den göttlichen Duft dieser minzefrischen Euphorie. Dieser Duft wird ihm am meisten fehlen, wenn der letzte Tag gekommen ist und von Normalität trotzdem keine Rede sein kann.
    Sie wird ihn auch nicht mit nach Hause nehmen. Schließlich soll es in ihrem Leben wenigstens einen Ort geben, an dem er nicht gewesen ist. Also vögelt sie mit ihm auf den rutschigen Sitzen ihres Wagens, in Parkanlagen direkt neben belebten Straßen, in schmutzigen Gassen und auf vermüllten Parkplätzen, in Nebenstraßen nahe seiner Wohnung. Er ist ein zart besaiteter Mann. Deshalb scheint ihn die Wahl dieser Orte anfangs zu irritieren. Aber diese Abneigung ist plötzlich verflogen, als sie ihn eines Nachts – unter einem im Widerschein der Stadt schieferblauen Himmel – in eine mit Basaltsteinen gepflasterte Gasse führt, sich dort an eine Wand stellt und ihm den Rücken zukehrt. Er fickt sie – von dem rhythmischen Klimpern seiner Gürtelschnalle begleitet, die Hände vor ihren Brüsten verschränkt -, während in den Häusern und Straßen ringsum fremde Menschen streiten und Autos hupen. Zunächst hat er ihr die Hand zwischen die Hinterbacken geschoben und mit den Fingern ihr feuchtes Schamhaar betastet: Dann hat er sie ganz dicht an sich gezogen und ist hart in sie eingedrungen. Wie immer pocht sein Herz auch diesmal wie wild: zugleich ängstlich und von seinem Begehren in Aufruhr versetzt. Kurz vor dem Höhepunkt, seine Ohren hallen von seinem eigenen Keuchen wider, erblickt er oben auf einem Zaun eine Katze, so reglos, wie nur eine streunende Katze innehalten kann, und ihn mit ihren farblosen Augen betrachtet. Er schrickt zusammen – noch nie zuvor hat er sich von einem wilden Tier beobachtet gefühlt – und begreift plötzlich, weshalb diese Frau eine Vorliebe für solch heimliche Orte hegt. Mögen sie selbst – mag das, was sie tun – auch völlig würdelos sein, aber dafür haben sie jede dunkle Ecke ganz für sich allein. Und er, der sein ganzes Leben im Licht verbracht hat, beginnt nun plötzlich, überall solche Orte zu entdecken. An seinem Schreibtisch, im hellsten Sonnenschein, versinkt er in Tagträume über die Dunkelheit.
    Eines Tages besuchen die beiden eine Cocktailparty im Garten eines prachtvollen Anwesens. Eine laue Nacht, der Mond steht tief am Himmel. Die Luft ist von
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