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Geheimes Verlangen

Geheimes Verlangen

Titel: Geheimes Verlangen
Autoren: C Redfern
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seine krakelige Schrift, macht sich Gedanken über einen flüchtigen Kuss. Sie gleichen ihre Einladungen ab, erkundigen sich, ob der andere beabsichtigt hinzugehen. Sie kauft sich neue Kleider, wenn sie glaubt, dass sie den Abend mit ihm in ein und demselben Raum verbringen wird. Er erfindet Vorwände, um sich mit ihr mittags zum Essen zu treffen. Sie besteht darauf, ihre Rechnung selbst zu bezahlen. Sie gibt sich verspielt, tänzelt im Gehen wie ein Püppchen neben ihm her und versucht, ihre Vorzüge zur Geltung zu bringen. Sie berührt wie zufällig seinen Arm, seinen Rücken. Sie lernt seinen Geruch kennen, die genaue Farbe seiner Augen. Wann immer sie ihn sieht, raubt ihr seine blendende Erscheinung den Atem; sie beneidet die Luft, die in seine Lungen strömt. Sie redet mit jedem über ihn, und die anderen hören, wie ihre Stimme sich verändert, spüren, dass er immer wichtiger für sie wird, und warnen sie – ausnahmslos. Er wird dir nur Kummer bereiten. Sie tut das mit einem Achselzucken ab – weiß, dass sie mit ihren Gefühlen nicht zu weit gehen darf, ist bereit, ihn wieder freizugeben, sollte die Situation das erfordern. Mag sein, dass er ihre größte Liebe ist, was nicht bedeuten muss, dass er für sie das Gleiche empfindet. Doch sie will nicht schon das Ende bedenken, wo alles kaum begonnen hat. Jetzt rast sie mit Höchstgeschwindigkeit auf den Rand eines Abgrunds zu, unaufhaltsam.
    Im zeitigen Frühjahr erscheinen beide auf einer Party, nicht zusammen, doch sie wissen beide, dass sie sich dort sehen. Sie lehnt mit der Schulter an einem Türrahmen und starrt auf ihr Glas, er steht schweigend vor ihr, scheu wie ein Reh. Sie weiß, dieser Abend bringt die Wende, und er weiß das vermutlich auch. Sie steht nun am Rand des Abgrunds, und es bleibt nur eines: fliegen oder jämmerlich abstürzen. Sie trägt eine tief ausgeschnittene Bluse, doch er scheint davon keine Notiz zu nehmen. Manchmal schießt ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sie sich das alles vielleicht nur eingebildet hat, dass er das Glitzern in ihren Augen gar nicht sieht – ja, dass sie vielleicht scheitern musste, weil er sich eine derartige Kühnheit gar nicht gestatten würde, ein unbezwingbarer Ehrenmann. Wenn es so weit ist, wird es ihr erster Impuls sein, ihn zu schlagen, schluchzend davonzulaufen. Ja, sie wird rasende Wut empfinden, wenn der Abschied gekommen ist.
    Sie sind nicht allein. Das Fest ist laut, es herrscht drangvolle Enge. Andere Gäste wollen mit ihm sprechen, also muss er beständig den Blick von ihr abwenden. Aber er bleibt in ihrer Nähe, sein Blick kehrt stets zu ihr zurück. In den Augenblicken, da sie ungestört sind, tauschen sie nette Belanglosigkeiten aus. Sie ist so betrunken, dass sie anfängt, auf den Zehen zu wippen, aber ihre Gedanken sind klar wie der Vogelgesang am frühen Morgen. Sie sieht ihn an, und seine Augen ruhen auf ihr. Sie kann ihn kaum anschauen. Sie möchte mit diesem ruhigen Mann ficken, bis er zu schreien anfängt: mit ihm in einer engen Gasse im Auto vögeln, auf mitternächtlichen Spielplätzen – wie damals mit siebzehn. Sie möchte seinen Schwanz lutschen, bis er anfängt zu brüllen. Sie möchte seine Hand nehmen und sie gegen ihren Bauch pressen, damit er spürt, wie er sich in ihr bewegt. Sie möchte mit ihm am Strand, auf Parkbänken, im Bett, im Regen ficken; sie möchte in allen nur denkbaren Varianten mit ihm vögeln: französisch, von hinten, anal. Sie möchte ihm über die Augenbrauen streichen, mit dem Finger den Konturen seiner Lippen folgen, seine Wange streicheln, ihm leidenschaftliche Worte ins Ohr flüstern, seine hübschen Augen mit den Händen bedecken. Sie möchte ihn so weit bringen, dass er ihr schwört, für sie zu sterben, sie weiß nur nicht, wie sie das anstellen soll. Stattdessen hört sie sich selbst ohne jeden Anflug von Charme zu ihm sagen: »Weißt du was: Ich möchte dich ficken, bis du zu schreien anfängst!«
    Mögen ihre Worte noch so plump klingen, noch so peinlich, widerwärtig pubertär, ihr fast die Beine wegziehen: Trotzdem weicht er nicht zurück, verzieht keine Miene. Und dann schießt ihr ein Gedanke durch den Kopf, der sie fast umwirft: So etwas hat er schon oft gehört. So unerschrocken ist er bloß, weil er zu den irritierenden Männern gehört, um die sich die Frauen wie aggressive Krähen zanken. Plötzlich kommt sie sich vollkommen dumm vor, weil sie sich gerade in so einen Mann verknallt hat: Besser, sie hätte ihr Begehren für sich
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