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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz
Autoren: Ake Edwardson
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die Wäsche, steckte Boxershorts, T-Shirts und die hellen Strümpfe in die Maschine, die neben der Badewanne stand, und programmierte den Waschvorgang. Er lauschte auf das Knacken der Maschine, blieb stehen, bis er sie summen hörte, dann verließ er das Bad und beschloss, die Wohnung aufzuräumen. Nach der Tapeziererei in Elsas Zimmer hatte er gefegt und Staub gesaugt, aber das reichte nicht. Eine Sammlung grauer Staubflocken in einer Schlafzimmerecke – woher kam die? Wie bildeten die sich eigentlich? Bei der Arbeit hielten sich seine Gedanken hartnäckig auf diesem Niveau. Das Schlafzimmer war gleichzeitig sein Arbeitszimmer: sein Büro. Wie hätte er es wagen können, eins anzumieten, wo doch kein Geld vorhanden war! Er hatte sich ein Büro in Gårda angesehen: zwei kleine Zimmer mit Pantry in einem der alten Häuser, die die Zeit der Abrisse überlebt hatten. Es wäre richtig gewesen, dort in der Nähe all der Neubauten zu sitzen, die in dem Gebiet errichtet wurden, im Umfeld der Räumlichkeiten für Berater und Headhunter. Er hatte die Abweichung von der Norm registriert, in erster Linie für sich selber. Wenn er seine »Firma« dorthin verlegt hätte? Er hatte es nicht getan. Jetzt schob er den Mac ein Stück beiseite, um die Tischplatte darunter abzuwischen. Dieser Schreibtisch und dieses Zimmer mussten als Büro ausreichen; genau wie der Computer, den er vor einem halben Jahr gekauft hatte, der alle seine Ordner enthielt, die er brauchte. Er hatte auch einige Spiele gekauft, für Jon: Der Junge konnte stundenlang spielen. Er komme so gerne hierher, sagte Jon oft. Was wäre passiert, wenn Wide den Apparat nicht angeschafft hätte? Würde sein Sohn dann auch so gerne kommen? Als er den Staubsauger abschaltete, schaltete er auch diesen destruktiven Gedanken aus und hörte jetzt, wie die Wohnung von der Musiklautstärke geradezu erbebte. Hausputzmusik: ein fettes, nicht ganz junges Gitarrenintro, nicht ganz junge Trommeln, ein nicht ganz junger Bass, Musik, die mit ihm gealtert war, grobes Sandpapier in der Stimme, Bobby’s got a gun that he keeps beneath his pillow. Wide hob das Mundstück zur Brust und schlug zwei Riffs, baamm, baamm, baaamm, baaamm, und er spürte einen Anflug von Kopfschmerzen, aber nicht so intensiv wie auf einem vorbereitenden Rundgang. Der Schweiß brach ihm aus, unerwartet und heftig, und ihm fiel plötzlich ein, dass er seit gestern Nachmittag den Anrufbeantworter nicht abgehört hatte.
     
    Sie trafen sich in einem der Cafés im westlichen Teil der Linnégatan. Der Mann saß schon da, als Wide kam. Er hatte sich sehr gut selbst beschrieben: grauer Anzug, weißes Hemd, blaugrüne Krawatte, Brille, rote Haare, soweit noch vorhanden. Wide brauchte nicht zu zögern. Der Mann war der einzige Gast im Lokal.
    »Sie müssen Anders Torstensson sein.«
    »Wide, schön, dass Sie gekommen sind.«
    »Hallo.«
    »Kaffee?«
    »Gern.«
    »Was dazu?«
    »Nein, danke.«
    Torstensson ging zu dem Mädchen an der Kasse. Sein Jackett war am Rücken zerknautscht, dort, wo er sich gegen die Stuhllehne gepresst hatte.
    »Bitte schön.«
    »Danke.«
    Anders Torstensson musterte Wides Gesicht.
    »Wie geht es Ihnen eigentlich?«
    Das war direkt. Wide schätzte Direktheit.
    »Nicht so besonders.«
    »Gestern gefeiert?«
    »Grippe im Anzug, glaub ich. Nein – es ist auch aus anderen Gründen spät geworden.«
    »Ich bin wirklich sehr dankbar, dass Sie so schnell gekommen sind.«
    »Warten Sie mit dem Dank.«
    »Tun Sie, was Sie tun können. Für mich reicht das. Dann hab auch ich etwas getan.«
    »Verschwundene Personen gehören nicht gerade zu meinem Arbeitsbereich.«
    »Was ist denn Ihr Arbeitsbereich?«
    »Das weiß ich, ehrlich gesagt, nicht genau.«
    »Dann können Sie mir ja wenigstens erst mal zuhören.«
    »Gut.«
    Der Mann erzählte. Sie war verschwunden. Nein, das war noch nie vorgekommen. Natürlich lief eine Suchanzeige, aber er hatte es als Demütigung empfunden, als er ihr Verschwinden meldete, wie eine Schuld. Hatte sie ihn verlassen? Nein, so war es nicht, da war er hundertprozentig sicher. In Ruhe erst einmal abwarten? Nein, das war nicht seine Art. Er wusste, dass dieser Fall auf einem Aktenstapel landen und bald unter anderen Fällen stecken würde, die gestern, heute, morgen kamen; er war ja nicht naiv. Es gab keine Möglichkeit, nach einer seit kurzem verschwundenen Frau zu suchen. Er wollte eine Alternative ausprobieren. Er hatte alles dabei, in diesem Umschlag: Foto, Geburtsurkunde,
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