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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus
Autoren: Kerstin Gier
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mir immer noch in den Ohren. Glücklicherweise habe ich Karsta im Montessori-Kindergarten im Schwebfliegenweg untergebracht, wo es aufgeschlossenere Pädagogen gibt. Fraukes Idee mit den Patenkindern aus benachteiligten Familien finde ich sehr gut. Ich bin gerne bereit, deine Marie-Antoinette unter meine Fittiche zu nehmen, Gitti. Wir würden sie immer sonntags an unseren Familienaktivitäten teilhaben lassen und sie mit fettarmem Essen bekannt machen.
    Übrigens bin ich froh, dass ihr diese Schläger-Jungs-Mutter abgelehnt habt, auch wenn sie günstig an Toff-Tog-Klamotten kommt. Ich finde sowieso Young Versace besser.
    Apropos Versace, ich muss jetzt meine Hosenanzüge zur Reinigung bringen, nächste Woche steht schon wieder ein Kongress an, diesmal in München.
    Sabine
     
    29. September
    Ich nehme mal stark an, dass du wieder mal einen von deinen gewöhnungsbedürftigen Scherzen gemacht hast, Mami Sabine. Denn es würde wohl niemandem einfallen, mich und meine Marie-Antoinette als benachteiligte Familie zu bezeichnen! Nur weil ich alleinerziehend bin, nicht in Größe 34 passe und als Freiberuflerin in Sachen Handarbeit nicht ganz so üppig verdiene, bin ich ja nicht gleich asozial, nicht wahr? Oder fändest du es komisch, wenn man euch als benachteiligte Familie bezeichnete, nur weil deine Kleinen die ganze Woche einer Kinderfrau und deinem Mann überlassen sind? Einem Mann, der dich bis vor kurzem mit einer anderen Frau betrogen hat, wenn ich mich recht erinnere. Ganz zu schweigen von dem fettarmen Mikrowellen-Fraß, den es bei euch täglich gibt. Oder davon, dass du niemals mit deinen Kindern bastelst! Wir wissen hier doch alle, dass Wibekes Meerjungfrauenschultüte in Wirklichkeit das Werk deiner Kinderfrau ist. Aber wie gut, dass wir alle Humor haben. Hahaha!
    Mami Gitti

2. Kapitel
    Als ich aufwachte, lag Anton neben mir, ganz warm und nackt. Er atmete tief und regelmäßig, und ich rückte näher an ihn heran. Lorenz, mein Exmann, hatte morgens immer einen leicht säuerlichen Geruch ausgeströmt, wie ein Komposthaufen, nicht wirklich furchtbar, aber auch nicht so einladend, dass man sich unbedingt gern hätte an ihn kuscheln wollen. Anton hingegen roch lecker, ein bisschen nach frisch gebackenem Brot. Ich bekam richtig Lust, ihn zu beißen. Stattdessen schlich ich mich auf Zehenspitzen ins Badezimmer, wo ich mir die Zähne putzte, bevor ich mich wieder neben Anton unter die Decke kuschelte. Er sollte ruhig denken, dass ich immer einen minzfrischen Atem hätte, auch morgens ganz früh.
    Draußen regnete es, das Wasser tropfte gegen das Fenster, trommelte auf das Dach und gurgelte mit einem heimeligen Geräusch durch die Fallrohre hinab.
    Ich überlegte, ob ich Anton wachbei ... äh -küssen sollte. In zwei Stunden mussten wir nämlich schon wieder los, die Kinder abholen. Es wäre doch dumm, diese Zeit mit Schlafen zu verschwenden.
    »So geht es nicht weiter«, sagte Anton. Ups, er schlief also gar nicht mehr.
    »Was meinst du?«
    Anton richtete sich auf und sah auf mich herunter. Ich staunte immer, wie gut er direkt nach dem Aufwachen aussah: keine Spur von Tränensäcken oder wirren Haaren. Ich hingegen hattemorgens immer eine Knautschfalte auf der Wange, die erst nach einer Stunde wieder wegging. Ich drehte Anton den unverknautschten Teil meines Gesichts zu.
    »Es stört mich, dass ich nur bei dir übernachten kann, wenn Emily bei meiner Mutter ist und deine Kinder bei Wischnewski«, sagte er. Wischnewski war Lorenz' Nachname. Es war auch mal mein Nachname gewesen, aber jetzt hieß ich wieder Bauer, wie meine Eltern.
    »Aber wenn die Kinder nicht bei Wisch ... - bei Lorenz wären, dann würde Julius schon seit zwei Stunden wach sein und Hase und Reh spielen wollen«, sagte ich.
    »Ich komme mir saublöd vor, wenn wir abends gemeinsam essen und ich dann mit Emily wieder nach Hause fahre«, fuhr Anton unbeirrt fort. »Oder umgekehrt. Das ist, als ob wir nur Familie spielen würden.«
    »Die Kinder müssen sich erst mal an das alles gewöhnen.« Ich fragte mich, warum ich plötzlich so ein mulmiges Gefühl im Magen hatte. Außerdem roch Antons Atem ganz eindeutig nach Zahnpasta. War er etwa noch vor mir aufgestanden und hatte sich ins Bad geschlichen??? »Sag mal ehrlich, hast du dir schon dir Zähne geputzt?«
    »Dieses Hin und Her gefällt mir nicht«, sagte Anton, offensichtlich nicht bereit, über das Mysterium seines frischen Atems zu sprechen. »Und für die Kinder ist das nur verwirrend.«
    »Anton,
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