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Gefürchtet

Titel: Gefürchtet
Autoren: Heyne
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ersparen.
    »Das erzähl ich dir später.«
     
    Später trat die Barkeeperin kurz vor die Tür, die zu der Gasse hinter dem Club führte. Der Regen hatte aufgehört, und von der Musik dröhnten ihr die Ohren. Nachdem sie ei nen Ziegelstein in die Tür gelegt hatte, damit sie nicht ins Schloss fiel, zündete sie sich eine Zi garette an und reckte das Gesicht in den Nachthimmel. Der Lärm drang zwar durch den Türspalt, aber zumindest konnte sie sich hier drau ßen atmen hören.
    Und den Mann am Münztelefon drinnen hörte sie auch.
    »Hier ist Merlin«, sagte er. »Sie ist im Chaco. Und sie ist nicht allein.«
    Die Barkeeperin zog an ihrer Winston und beobachtete, wie die Spitze rot aufglühte.
    »Erst hat sie in Isla Vista in einem Wohnheim die Leute rausgeklopft, dann ist sie nach Downtown gefahren. Als ich
in den Klub gekommen bin, stand sie gerade mit einem Heineken an der Bar.«
    Die Barkeeperin überlegte. Vielleicht ein Privatdetektiv?
    »Sie hat auf diesen Typen mit Krücken gewartet. Er hat sie Rowan genannt«, fuhr der Mann fort. »Ich weiß nicht, was mit dem los ist. Vielleicht ein Knieschuss.« Pause. »Wegen dem, was diese Rowan gesagt hat. Die beiden waren ganz schön unheimlich. Ziemlich durchgeknallt, was die so geredet haben.«
    Die Barkeeperin nahm einen Zug.
    »Ja, aber nur, weil sie mich angesprochen hat. Wollte mit mir tanzen. Aber … Nein. Natürlich nicht … Wegen dem Typen, der bei ihr war. Ganz übler Kerl. Hat wahrscheinlich einiges auf dem Kerbholz.«
    Die Barkeeperin ließ die Zigarette sinken und rührte sich nicht.
    »Klar doch, ich bilde mir das alles ein. Wahrscheinlich habe ich Halluzinationen. Du hast den Kerl doch gar nicht gesehen.« Kurze Pause. »Auch egal. Wir kümmern uns morgen darum. Ich geh nach Hause. Mir fallen die Augen zu.«
    Der Hörer knallte auf die Gabel. Die Barkeeperin ließ ihre Kippe fallen und trat sie mit der Schuhspitze aus. Die Nacht war klamm.
    Sie zählte langsam bis fünf zig und öffnete dann die Tür. Der Gang war leer. Gut. So ein Kerl fehlte ihr gerade noch, der auf jeden Blödsinn hereinfiel und am Ende ihr noch die Ohren damit volllaberte. So ein Trottel war zu Hause wirklich besser aufgehoben.
    Als Barkeeper musste man sich ohnehin jede Menge Schwachsinn anhören.

    Grau. Himmel, Licht, Wasser. Um fünf Uhr morgens hatte der Regen aufgehört, aber es war Flut und immer noch windig. Die Brecher rauschten tosend auf den Strand und brandeten bis fast zur Steilküste. Auf dem Sand türmten sich die Algen. Die Sicht war schlecht. Im Westen ragte der Goleta-Pier in die Wellen hinaus. Der Campus der Universität dahinter verschwamm im Nebel.
    Auf der Steilküste über dem Strand ächzten Eukalyptusbäume im Wind, und die erodierten Rasenflächen der Millionärsvillen fielen Zentimeter um Zentimeter dem Pazifik zum Opfer. Bei dem rauen Wetter war niemand unterwegs. Völlig unbemerkt wurde es an den Strand gespült. Es rollte auf den Wellen, hob und senkte sich schlaff. Treibgut, wie das im Sand herumliegende Holz.
    Mit der grauen Brandung ritt es ans Ufer und verfing sich im Seetang wie ein unvorsichtiges Tier in einer Falle. Unter dem bleiernen Himmel war der ein zige Farbtupfer das Armband mit den silbernen Anhängern, das an dem bleichen, toten Handgelenk auf dem Strand glänzte.

3. Kapitel
    Das Gartentor war über Nacht vom Regen aufgequollen und klemmte. Es war gegen acht Uhr morgens, und ich kam gerade aus dem Fitnessstudio. Da ich die Autoschlüssel zwischen den Zähnen hielt, ei nen Becher Kaffee in der ei nen Hand und eine Tüte Bagels in der anderen, setzte ich einen Fuß gegen das Tor und drückte. Von dem Efeu, der den Zaun überwucherte, sprühte das Wasser. Das Tor öffnete sich mit einem Ruck.
    Ich stapfte über den Plattenweg zu meinem Häuschen. Überall im Garten lagen abgerissene Äste. Neben dem Haus von Nikki und Carl Vincent war ein Busch roter Bougainvillea quer auf den Rasen gestürzt wie ein erschlagener Drache.
    Nikki war meine beste Freundin. Auf dem College hatten wir uns ein Zimmer geteilt. Jetzt führte sie eine kleine Kunstgalerie, während Carl eine gute Position in ei nem Softwarehaus bekleidete. Die beiden waren meine Ersatzfamilie, da meine eigenen Angehörigen über das ganze Land verstreut waren.
    Vom Haus der Vincents kam ein Pochen. Am Wohnzimmerfenster stand die kleine Thea auf einem Stuhl und klopfte mit der Hand gegen die Scheibe. Sie lächelte mich an, drückte ihren Mund an das Glas und prustete wie Lou is
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