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Gefürchtet

Titel: Gefürchtet
Autoren: Heyne
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Gras. In meinem schlaftrunkenen Ärger brauchte ich ein paar Augenblicke, bis ich verstand. Unfall. Der Junge vor mir war außer sich vor Angst und Kummer. Eine Katastrophe.
    Der Mann auf dem Barhocker warf sich ein paar Erdnüsse in den Mund. »Die Band ist gar nicht so übel, aber die Sängerin ist nicht richtig abgenommen. Die Monitore sind falsch eingestellt, und das Mikro übersteuert.«
    Offenbar sprach er mit mir. Nun setzte er die Brille ab,
strich seinen Pancho-Villa-Schnurrbart glatt und starrte mich aus zusammengekniffenen Augen an, ohne mit dem Kauen aufzuhören. Seine Schneidezähne standen vor - ziemlich praktisch, da vom Rest nicht mehr viel übrig war.
    »Die spielen regelmäßig hier. So eine Art Hausband.«
    Er ruckte mit sei nen Hängeschultern. Vielleicht juckte das Hawaiihemd. Das kompostfarbene Haar fiel ihm über den Kragen. Vermutlich war er durch ein Zeitportal direkt vom Set von Hawaii Fünf-Null auf den Barhocker neben mir gefallen. Auf jeden Fall erinnerte er mich stark an den Polizeispitzel Gopher aus der Fernsehserie. Die Ratte in Person.
    »Aber wenn man Frauen am Mikro mag, ist sie gar nicht übel. Ich kann verstehen, dass du was für das Mädchen übrig hast.«
    Hatte ich was verpasst, oder führte der Kerl tatsächlich ein Gespräch mit mir, ohne dass ich auch nur ein Wort gesagt hatte? Mein Bier kam. Ich legte einen Zwanziger auf die Theke.
    Er grapschte sich ein Stück Würfelzucker und beugte sich zu mir. »Ist mir klar, dass du auf Männer im Augenblick nicht gut zu sprechen bist. Das merk ich an dei ner Aura.« Er knabberte an seinem Würfelzucker wie ein Nagetier. »Macht nichts, ich tanz trotzdem mit dir.«
    Die Band gab ordentlich Gas, aber die Tanzfläche war wie leer gefegt. »Ich warte auf jemanden.«
    »Alles klar, wenn er auftaucht, zieh ich Lei ne.« Er nahm sich ein zweites Stück Würfelzucker, roch daran und fing an zu knuspern.
    »Falsch. Ich zieh Leine, und zwar sofort.« Ich wandte mich ab, um mich nach einem Tisch umzuschauen. In diesem Augenblick kam Jesse herein.

    Lächelnd bahnte er sich seinen Weg zur Bar. Was ich ihm zu er zählen hatte, würde das Lächeln von sei nem Gesicht wischen, aber für den Moment genoss ich seinen Anblick - wie immer. Er war groß, hatte lange Beine, mahagonifarbenes Haar und sah einfach umwerfend aus. Selbst wenn er lächelte, verriet sein Blick, dass man sich besser nicht mit ihm anlegte. Er war der geborene Kämpfer und besaß die geschmeidige Anmut des Sportlers. Vor ein paar Monaten hätte er mich fast zum Altar geführt.
    »Okay, von mir aus gehen wir woanders hin, aber wohin?« Gopher klatschte mir seine feuchten Finger auf den Arm und hinterließ dabei einen klebrigen Zuckerabdruck.
    »Nein danke.« Ich entfernte seine Hand. »Mein Freund ist da.«
    Er folgte meinem Blick. »Der mit den Krücken?«
    Jesse arbeitete sich langsam und konzentriert zwischen den Tischen hindurch. Die Barkeeperin stand noch an der Kasse und holte mein Wechselgeld. Gopher starrte Jesse an.
    »Was ist denn mit dem passiert?«
    Jesse hatte uns fast erreicht. Er warf einen Blick auf Gopher. Mein gequälter Gesichtsausdruck sagte alles.
    »Du hast den Befehl nicht ausgeführt, Rowan«, sagte er. »Du solltest doch alle eliminieren.«
    Das war ein Dialog aus meinem neuen Roman. Also las er ihn tatsächlich. Gut zu wissen.
    »Ich pfeif auf die Befehle. Es gehört sich nicht, in einer Kirche rumzuballern«, erwiderte ich.
    Gopher starrte uns mit offenem Mund an. Ich musste ein Grinsen unterdrücken.
    »Wenn du mich jetzt nicht austrinken lässt, bist du erledigt«, sagte ich zu ihm.

    »Beim Bier bringt man ei gentlich auch kei ne Menschen um.« Jesse warf einen viel sagenden Blick auf Gopher. »Aber Leute, die andere anglotzen, müssen eliminiert werden. Das ist sozusagen eine gute Tat.«
    Erdnüsse rieselten aus Gophers Hand auf die Theke. Er rutschte von seinem Hocker und verschwand in der Menge.
    Ich streckte mich und gab Jesse einen dicken Kuss. »Eins zu null für Science-Fiction.« Ich winkte der Barkeeperin und hob meine Flasche. »Uno más.«
    Jesse schüttelte den Kopf. »Für mich einen Kaffee.«
    Erst jetzt fiel mir auf, wie angespannt seine Kiefer- und Schultermuskeln waren. Wenn er keinen Alkohol wollte, hieß das, dass er auf der Höchstdosis Schmerzmittel war. Es musste ihm extrem schlecht gehen.
    Ein Tag in seinem Leben hatte alles verändert. Ein BMW hatte ihn mit Vollgas vom Rad gefegt und ihm den Rücken zerschmettert. Die
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