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Gefühltes Wissen

Gefühltes Wissen

Titel: Gefühltes Wissen
Autoren: Horst Evers
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irgendwo in Berlin aufstellen.
    Manchmal ist sie richtig gut versteckt, aber diese Leute finden sie immer.

    10.00 Uhr: Wieder zu Hause. Jede Menge Arbeit. So viel Arbeit. Überhaupt gar nicht zu schaffen, bis ich Kind wieder abholen muss. Mache Computer an. Will Text schreiben. Schlafe dann zügig ein.

    15.00 Uhr: Werde von Telefonklingeln geweckt. Schaue auf Bildschirm. Boarh, über 200 Seiten Text geschrieben. Leider nur ein Buchstabe.
    Gehe ans Telefon. Ein Mann von irgendeiner Telefongesellschaft fragt, ob ich nicht Lust habe, den Tarif zu wechseln. Sage: «Ooooh… ja, ja, warum eigentlich nicht. Nee, wenn ich's mir mal richtig überlege, eigentlich sehr gern, wirklich. Aber im Moment ist grad schlecht. Ich muss gleich das Kind abholen. Rufen Sie doch morgen nochmal um die gleiche Zeit an.» Mache das seit Wochen so. Funktioniert besser als jeder Wecker.

    15.20 Uhr: Zwei Männer rennen über den Bürgersteig. Der hintere schreit: «Verkehrt!!! Immer verkehrter! Mann, jetzt reißen Se sich mal zusammen, ich hab auch noch was anderes zu tun, als Ihnen den Weg zu erklären!!!» Das glaub ich nicht.

    16.00 Uhr: Hole das Kind ab. Die Kinder haben irgendwelche Sachen gebastelt. Keiner weiß genau, was es ist, aber es ist sehr phantasievoll. Alle Eltern freuen sich. Auch weil sie jetzt etwas in der Hand haben, was sie gleich ihren BVG-Busfahrern zeigen können.

    16.30 Uhr: Die ganze Familie ist wieder zu Hause. Das Kind findet schnell einen schönen Platz für seine neue Skulptur. Es stellt sie zu den anderen Bastelarbeiten auf meinem Schreibtisch. Ab jetzt das Übliche: spielen, kochen, spielen, essen, spielen, kurz Nachrichten: «Die Pressekonferenz der CDU zum neuen Verkehrsleitsystem musste heute Morgen abgesagt werden, weil der Referent nicht erschienen ist.» Dann wieder spielen, aufräumen, spielen, spielen, aufräumen…
    Gegen halb zehn weckt uns das Kind, weil es jetzt ins Bett will, es muss morgen früh raus.

    22.00 Uhr: Kind schläft. Noch 'n bisschen zusammensitzen. Gegen halb eins nochmal kurz an den Computer. Gegen drei wieder auf der Tastatur aufwachen. 320 Seiten «n» geschafft. Alle schlafen, auch ins Bett.

    3.15 Uhr: Kann jetzt nicht mehr einschlafen. Höre Schreie von der Straße. «Immer noch verkehrt, ganz falsch!!! Na, ich würd sagen, wir machen jetzt für heute Feierabend und machen morgen weiter.»

    3.30 Uhr: Kann immer noch nicht einschlafen. Hole die Tastatur ins Bett, lege die Nase drauf. Schlafe sofort ein.

    7.00 Uhr: Wecker klingelt. Mache ihn aus. Im Kopf tausend Fragen…

Epilog
Keine Angst vorm Alter
    Seit rund anderthalb Jahren bekomme ich oft Anrufe von komischen Menschen.
    Aufrichtig besorgte Menschen, die mich fragen, ob ich denn auch schon private Vorsorge fürs Alter getroffen hätte. Auf meine entwaffnend ehrliche Antwort: «Brrrrhh, äh… weiß nich'…», schlagen sie mir dann regelmäßig vor, ihnen jeden Monat einen bestimmten Betrag zu überweisen, und dafür würde ich ab meinem 65. Lebensjahr eine attraktive Zusatzrente bekommen. Das führt praktisch immer zu folgendem Standardgespräch:
    - Zusatz wozu?
    - Bitte?
    - Egal. Warum?
    - So müssen Sie dann keine Angst mehr vor dem Alter haben.
    - Warum sollte ich Angst vor dem Alter haben?
    - Lesen Sie denn keine Zeitung?
    - Doch, aber das macht mir eigentlich nicht mehr Angst vor dem Alter als vor der Gegenwart.
    - Nun, wenn das so ist, kann ich Ihnen auch noch ein paar sehr interessante Broschüren von uns zu diesem Thema schicken.
    - Und die machen mir dann Angst vor dem Alter?
    - Nur ganz kurz, weil, dann erklären wir Ihnen auch gleich wieder, wie Sie keine Angst mehr vor dem Alter haben müssen.
    - Klingt fair.
    - Dafür sind wir da. Geben Sie alles in unsere Hände, wir kümmern uns dann schon um Sie im Alter.
    - Hmmm, und wenn ich vorher sterbe?
    - Na, dann müssen Sie erst recht keine Angst mehr vorm Alter haben.
    - Ach so?
    - Kleiner Scherz, aber keine Angst, weil statistisch gesehen ist das sehr, sehr unwahrscheinlich, praktisch unmöglich, glauben Sie mir, Sie werden sehr, sehr alt werden.
    - Ach. Sicher?
    - Ziemlich sicher.
    - Na, wenn Sie da so sicher sind, könnten Sie mir ja auch jetzt jeden Monat einen festen Betrag überweisen, und dafür zahle ich Ihnen ab meinem 65. Lebensjahr die attraktive Zusatzrente.
    Dann legen sie meistens auf. Fast alle. Außer einem, der für sich privat doch sehr an meinem Angebot interessiert war, da er den Rentenprodukten seines Hauses auch nicht so richtig über den
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