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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen
Autoren: Giles Blunt
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diesem Projekt ihr Kapital. Das Ende der Mine war gekommen, als kaum mehr als hundert Kilometer entfernt, in Sudbury, leichter abbaubare Flöze entdeckt wurden.
    Der Schacht war hundertfünfzig Meter tief und setzte sich in horizontaler Richtung weitere sechshundert Meter fort. Die Kripoleute hatten erleichtert aufgeatmet, als sich herausstellte, dass Unbefugte nur in den Schachteingang, aber nicht in den Abbaustollen eingedrungen waren.
    Als Cardinal und Delorme wieder auf der Insel ankamen, war es bei weitem nicht mehr so kalt wie in der Nacht zuvor, nur wenige Grad unter null. In der Ferne sah man Schneemobile zwischen den Hütten der Eisfischer umherfahren. Vereinzelt fielen Schneeflocken aus schmutziggrauen Wolken. Die Aufgabe, die Leiche aus dem Eis zu lösen, war fast erledigt.
    »Am Ende brauchten wir doch nicht sägen«, berichtete ihnen Arsenault. Trotz der Temperaturen unter null standen ihm Schweißtropfen im Gesicht. »Die Vibrationen haben uns die Arbeit abgenommen. Die Leiche löste sich in einem Stück. Allerdings wird der Transport nicht so leicht sein. Man kann hier keinen Kran aufstellen, ohne Spuren am Fundort zu zerstören. Wir haben daher den ganzen Block auf einen normalen Schlitten verfrachtet und bis zum Lastwagen geschoben. Wir dachten uns, dass Kufen weniger Schaden anrichten als ein Toboggan.«
    »Gute Idee. Woher habt ihr den Lkw?« Ein grüner Fünftonner mit schwarzen Balken, die die Schriftzüge verdeckten, fuhr rückwärtsan den Schachteingang heran. Dr. Barnhouse hatte die Spurensicherung unmissverständlich darauf hingewiesen, dass es, so dringend auch ein Kühlwagen gebraucht wurde, gegen alle seit Menschengedenken bekannten Hygienevorschriften verstieße, wenn man einen normalen Kühl-Lkw für Lebensmittel als Leichenwagen verwendete.
    »Kastner-Chemikalien. Die benutzen den Wagen zum Transport von Stickstoff. Dort hatte man auch die Idee, die Schriftzüge mit schwarzen Balken zu überdecken. Aus Pietät. Ich fand das sehr nobel.«
    »Das war wirklich nobel. Erinnere mich daran, der Firmenleitung zu danken.«
    »Hallo, John! John!«
    Roger Gwynn stand hinter der Absperrung und winkte ihm zu. Die unförmige Gestalt neben ihm, mit einer Nikon im Anschlag, war sicherlich Nick Stoltz. Cardinal hob seine behandschuhte Rechte zum Gruß. Eigentlich stand er mit dem Reporter des
Algonquin Lode
nicht auf dem Duzfuß, obwohl sie beide fast zur gleichen Zeit auf die Highschool gegangen waren. Gwynn versuchte sich einen Vorteil zu verschaffen, indem er ihre Gemeinsamkeiten übertrieb. Polizist in der Heimatstadt zu sein hatte sein Gutes, doch manchmal vermisste Cardinal schmerzlich die relative Anonymität der Großstadt Toronto. Ein kleines Kamerateam mit Stoltz in der Mitte brachte sein Gerät in Stellung, hinter ihnen stand eine schmale Gestalt im rosa Parka, dessen Kapuze mit einem weißen Pelzbesatz verziert war. Das konnte nur Grace Legault von den Sechs-Uhr-Nachrichten sein. Algonquin Bay hatte keinen eigenen Fernsehsender; die Lokalnachrichten kamen aus dem hundertdreißig Kilometer entfernten Sudbury. Cardinal hatte den Übertragungswagen neben dem Polizei-Lkw auf dem Eis parken sehen.
    »Komm, John! Sei so gut und gib mir ein kurzes Statement!«
    Cardinal nahm Delorme mit und stellte sie dem Reporter vor.
    »Ich kenne Ms. Delorme«, sagte Gwynn. »Wir haben uns kennengelernt, als sie unseren ehrenwerten Bürgermeister verhaftete. Was kannst du mir über diesen Fall hier sagen?«
    »Mehrere Monate alte Leiche eines Jugendlichen.«
    »Oh, danke. Das wird einschlagen wie eine Bombe. Wie stehen die Chancen, dass es sich um das Mädchen aus dem Reservat handelt?«
    »Ich mache darüber keine Aussagen, bevor wir nicht den Bericht aus dem Gerichtsmedizinischen Institut in Toronto haben.«
    »Billy LaBelle?«
    »Dazu sage ich nichts.«
    »Ach komm, John. Irgendeine zusätzliche Information musst du mir geben. Ich frier mir hier den Arsch ab.«
    Gwynn war ein untersetzter Mann, der sein Aussehen vernachlässigte und keine Manieren besaß, ein Lokalreporter auf Lebenszeit. »Handelt es sich überhaupt um Mord? Kannst du wenigstens das bestätigen?«
    Cardinal winkte dem Aufnahmeteam aus Sudbury zu. »Wollen Sie sich nicht anschließen, Miss Legault? Ich möchte nicht alles zweimal sagen.«
    Er teilte allen die grundlegenden Fakten mit, ohne von Mord oder von Katie Pine zu sprechen, und schloss mit der Versicherung, wenn er mehr wisse, werde er ihnen dies mitteilen. Als Zeichen guten Willens
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